BERÜHRENDER GLAUBE

Predigtgedanken zum 2. Sonntag der Osterzeit (Joh 20:19 – 31)

Auferstehung: ein Wunschtraum, eine Projektion? Ein Urbild, das in unserer Seele schlummert? Bei alledem blieben wir schließlich und endlich doch mit uns, mit unserer Einbildungskraft allein. Ist das alles? Oder kommt mir ein anderer entgegen? Der ganz Andere?

Thomas erfährt in seiner Osterbegegnung, dass er es neu mit Jesus zu tun hat. Der ist nicht einfach wieder da wie vor dem Tod, es geht nicht so weiter wie vorher. Aber er erscheint auch nicht wie ein ätherischer Lichtstrahl. Die Erzählung setzt sich klar ab von jeder Art von Esoterik, die den Leib abspaltet und ihn durch ein strahlendes Lichtkleid ersetzen möchte.

Der Christus, dem Thomas begegnet, hat seine irdische Geschichte nicht abgestreift und wie ein Kleid in den Schrank gehängt. Was er erlebt und erlitten hat, sitzt ihm nicht nur in den Kleidern. Es hat ihn unauslöschlich gezeichnet, es kennzeichnet ihn. Die Auferstehung haftet im Fleisch. Sie bricht genau dort ein, wo der Tod sitzt. Wo denn sonst?!

Nicht von ungefähr sind es die Wunden Jesu, auf die Thomas seinen Finger legt. Sie gehen tief. Würden sie übersprungen, der Glaube wäre flach und oberflächlich. Es sind ja gerade die Wunden, die uns das Leben schwer machen: die wahnsinnigen Kriege, das erlittene Unrecht, Krankheit, Scheitern, das offene Grab. Da kann man an Gott irre werden, an Gott und der Welt verzweifeln: Warum, Gott? Warum das alles?

Am christlichen Glauben überzeugt mich nichts so sehr wie diese Wahrheit: Unser Gott geht an den offenen Wunden nicht vorbei, er trägt sie selbst. Und er hat die Kraft, sie zu wandeln. Daran ist er zu erkennen. Am Ende schaut Thomas nicht nur die Wunden; an ihnen, ja in ihnen geht‘ s ihm auf: »Mein Herr und mein Gott!«.

Tasten, berühren, greifen – hat Thomas den Auferstandenen damit im Griff? Den Auferstandenen können wir nicht wie ein Ding in den Griff bekommen. Da tut sich eine neue Dimension auf, das ist nicht mehr zu fassen. Thomas tastet sich vor, will greifen und fassen, aber dann wird er ergriffen vom Unfassbaren und Unbegreiflichen: »Mein Herr und mein Gott« – Du, mein Ein und Alles.

Ordenskaplan Matthias David