“BIS DU KOMMST IN HERRLICHKEIT”

(Predigtgedanken zum 33. So. i. Jkr. / vorletzten So. i. Kj – LK 21:5-13; MAL 3:19b-20; 2.THESS 3:7-12)

GOTT IST IM KOMMEN

Wenn wir mitten in der Feier der Eucharistie unseren Glauben an die Gegenwart des erhabenen Herrn bekennen, heißt es: “Deinen Tod, o Herr, verkünden wir und deine Auferstehung preisen wir, bis du kommst in Herrlichkeit.” Das Wort “Kommen” gehört zu den Schlüsselworten der Bibel. Es ist ein wichtiger Teil der Selbstoffenbarung des jüdisch-christlichen Gottes. So heißt es zum Beispiel in der Offenbarung des Johannes: “Gott spricht: Ich bin das Alpha und das Omega, der ist, der war und der kommt’” ( Joh 1:8). Es lautet nicht, wie zu erwarten wäre, “der sein wird”!

Über den griechischen Göttervater Zeus heißt es: “Zeus war, Zeus ist, Zeus wird sein”. Im Gegensatz zu dieser griechischen Vorstellung des Göttlichen ist Gott im jüdisch-christlichen Glauben eine Macht, die nicht bloß immer schon da war, immer da ist und immer da sein wird, ewig in sich ruhend und in sich kreisend, nein, Gott lässt sich erfahren als eine mächtige Wirklichkeit, die noch “im Kommen ist”, die also – zusammen mit der Schöpfung – eine Zukunft hat, Reich Gottes wird es im Neuen Testament genannt.

Gott ist im Kommen und er öffnet damit auch uns eine Zukunft. Dieses Reich Gottes ist das Kommen Gottes, ist die Macht, die Schöpfung von innen her immer wieder zu erneuern, das Gebrochene zu heilen, das Gestorbene zu neuem Leben zu erwecken, das Ermüdete und Erstarrte wieder in Bewegung zu bringen.

Und so rufen die frühen Christen voller Sehnsucht zu diesem Gott und seinem Christus: “Maranatha” – “Komm, o Herr”, und erneuere, rette die Welt, die Kirche und uns selbst! Gott erhört dieses Rufen der Gläubigen. In seinem Heiligen Geist kommt die erneuernde, Zukunft eröffnende Macht seiner Liebe. Im Heiligen Geist erneuert Gott jetzt schon das Angesicht der Erde, der Kirche, das Angesicht unseres eigenen Lebens. In diesem Kommen Gottes zur Welt gibt es ein letztes Ziel: Wenn Christus, das Ebenbild des unsichtbaren Gottes, am Ende der Zeit “in Herrlichkeit” kommt und die Welt endgültig erneuert und vollendet. Dies ist dann die ersehnte “Wiederkunft” des Herrn, von der immer wieder die biblischen Texte der letzten Sonntage im Kirchenjahr und des beginnenden Advents sprechen.

EIN KOMMEN IN SCHRECKEN?

Was ist mit dem “Kommen des Herrn in Herrlichkeit” gemeint? Christus kommt nicht in der Herrlichkeit eines mächtigen Herrschers. Er kommt nicht im vermeintlichen Zorn Gottes über die Bösen, die er in einer endgültigen Schlacht zwischen Gut und Böse mit einem blutigen Endsieg überwindet. Dies sind die in der biblischen Spätzeit gebrauchten und beliebten apokalyptischen Bilder vom Kampf des Lichtes gegen die Finsternis, von einer grausamen letzten Schlacht der Guten gegen die Bösen. Solche Vorstellungen mögen nur allzu verständlich sein, wenn man den Triumph der Bösen über die Guten, die entsetzlichen Qualen der Opfer und ihre Ohnmacht vor der Gewalt der Täter immer wieder erleben musste und erlebt. Bilder einer fürchterlichen, endlich gestillten Rache an den Tätern und Henkern sind es; Bilder in den Seelen von Menschen, die sich nur in den Vorstellungen eines grausamen Krieges die sieghafte Macht eines guten Gottes denken und ersehnen können.

Eine schreckliche Vorstellung – so als ob die erste Ankunft Jesu in der Krippe von Bethlehem gescheitert sei und Christus am Ende der Zeit mit Gewalt, mit Feuer und Schwert das nachholen müsste, was er in der Zeit mit Liebe nicht geschafft habe. Nein!

Hinter allen Bildern und Vorstellungen der Bibel, die das Kommen des Herrn in den damals üblichen, in der Tat oft sehr furchterregenden Sinnbildern veranschaulichen, hinter alldem steht eindeutig die bleibend gültige Kernaussage, nämlich: Der kommende Herr ist derselbe Jesus Christus wie bei seiner ersten Ankunft!

Christus wird so wiederkommen, wie er in seinem ersten Kommen erschienen ist:

Er wird als der menschenfreundliche, gütige und gerechte Gott erscheinen, der alle Menschen retten will. Der endzeitliche Herr und Richter über die Geschichte will nicht Angst und Schrecken verbreiten, er will vielmehr Zuversicht und Hoffnung wecken, um so alle Menschen zur Erkenntnis der Wahrheit über unsere Welt, zur Einsicht der Liebe Gottes und zur Annahme dieser Liebe zu bewegen.

Die endzeitliche Parusie, das endzeitliche Erscheinen des Herrn überbietet nicht seine erste Ankunft an Glanz und Herrlichkeit, sondern die Wiederkunft des Herrn vollendet seine Herrlichkeit. Das heißt: Wir hoffen, dass am Ende der Zeit allen Geschöpfen aller Zeiten und Räume das offenbar wird, was bisher nur im Glauben und in der Liebe erkannt werden kann: dass Jesus Christus, die menschliche Gestalt der Liebe Gottes, das Maß, der Sinn und das Ziel der ganzen Schöpfung ist, in dem alles sein Heil und seine Versöhnung finden kann.

Jesus Christus wird sich in seiner tiefsten Wahrheit, unverhüllt allen Menschen offenbaren. Dann werden endlich alle ungelösten und quälenden Fragen nach dem Sinn, nach dem Warum und Wozu der einzelnen Lebensgeschichte und der Weltgeschichte ihre Antwort finden. Wann und wie das geschehen wird, dies können wir nicht wissen und uns auch nicht vorstellen, weil dies ein Geschehen jenseits von Raum und Zeit ist, jener Dominanten, an die wir in unserem jetzigen Leben gebunden sind.

VOLLENDUNG DER FROHBOTSCHAFT

Mit der Parusie, dem Erscheinen und der Wiederkunft des Herrn, wird unsere jetzige Welt, werden Raum und Zeit vollendet, das heißt sie werden in das ewige Leben Gottes “aufgehoben” – im dreifachen Sinn dieses Wortes “aufheben”, werden sie erhöht, verwandelt und geborgen.

Die Wiederkunft des Herrn geschieht für jeden von uns in seinem persönlichen Tod. In meinem Tod geht meine persönliche, irdische Welt, gehen für mich Zeit und Raum unter, aber, was meine persönliche Welt ausmacht, das heißt “ich” werde von Gott “aufgehoben” in die Herrlichkeit Christi, in das erfüllte Leben bei Gott. Die Botschaft von der Parusie ist also keine Schreckens- und Drohbotschaft, sondern bedeutet die Vollendung der Frohbotschaft.

Was aber bedeuten dann für uns die apokalyptischen Aussagen von Naturkatastrophen, von Kriegen, Zerstörung und Untergang? Sie wollen uns sagen: In und trotz aller Katastrophen, trotz des tödlichen Hasses von Menschen und Völkern in Kriegen und Untergängen ist und bleibt Gott ein Gott des Lebens, der in seiner Liebe unwiderruflich zu den Menschen, zur der ganzen Schöpfung steht, unwiderruflich, weil Jesus Christus, der Gekreuzigte, die Mensch gewordene Liebe Gottes ist. Welche Zusage könnte uns mehr Mut und Zuversicht, mehr Trost und Freude gerade auch in der Bedrängnis und in den Leiden unseres Lebens schenken?!

Diese Liebe im Leben anzunehmen, bis sie in meinem Tod auch meinerseits unwiderruflich geworden ist, das bedeutet die Mahnung Jesu zur Wachsamkeit.

Wenn wir auch jetzt wieder bei der Feier der Eucharistie beten und bekennen:

“Deinen Tod, o Herr, verkünden wir und deine Auferstehung preisen wir, bis du kommst in Herrlichkeit” – so glauben wir zuversichtlich, dass dieses Bekenntnis für jeden von uns persönlich und für die ganze Schöpfung einschließt: bis du mich in meinem Tod “aufhebst” – mich teilnehmen lässt an deinem erfüllten Leben bei Gott, an deiner Herrlichkeit, an deiner herrlichen Liebe Gottes. Amen.

Seneschall Matthias David