CHRIST SEIN IM ALLTÄGLICHEN LEBEN

(Predigtgedanken zum Dreifaltigkeitssonntag, Trinitatis, Joh 16:12-15, Spr 8:22-31, Röm 5:1-5)

ZURÜCK IM ALLTAG

Mit dem heutigen Dreifaltigkeitssonntag endet die Osterzeit. Die Fastenzeit und Karwoche führten uns die Liebe Gottes vor Augen, von der Jesus auch durch Kreuz und Leiden nicht abzubringen war. Ostern konnten wir mit großer Freude die Auferstehung Jesu feiern und Christus als den erleben, der den Tod zu besiegen vermag und jedem von uns ewiges Leben schenken kann. Mit dem Heimgang Jesu in der Himmelfahrt, verbunden mit der schon zu Lebzeiten versprochenen Geistsendung, ist Jesu unmittelbares Wirken auf Erden beendet. Von nun an beginnt das Leben und Wirken der Kirche in den Gemeinden, die Jesu Werk weiter tragen und fortsetzen.

An diese Kirche, in die Christus den Hl. Geist gesandt hat, wendet sich Johannes mit seinem heutigen Evangelium. Er zeigt den Gläubigen, wie das Leben in Verbindung mit Christus unter der Leitung des Hl. Geistes sich vollziehen kann und sich vollziehen soll.

Der Evangelist Johannes beschreibt in seinem Evangelium das Wirken des Hl. Geistes in mehreren Kapiteln. Allein daran können wir schon erkennen, wie wichtig es Johannes ist, den Hl. Geist in das Feld unserer Wahrnehmung zu rücken. Nicht in erster Linie unser Bemühen, sondern das Wirken des Hl. Geistes wird für die Kirche, Gemeinden und die einzelnen Gläubigen von entscheidender Bedeutung sein.

IM Hl. GEIST DEN ALLTAG BEWÄLTIGEN

Dabei unterlässt es Johannes, uns ein Bild vom Hl. Geist oder der Dreifaltigkeit zu zeichnen. Das Anliegen des Evangelisten ist vielmehr, der jungen Kirche zu zeigen, wie der Hl. Geist wirkt und wie sehr die Kirche und die Gläubigen auf ihn bauen können. Er ist der, der Kirche entstehen und Christus in ihr lebendig werden lässt. Er ist es, der den Christen die Kraft verleiht, in guten wie in schweren Zeiten, in lichten und in dunklen Tagen Christus nachzufolgen. Denn der Hl. Geist

* wird an Christus erinnern und an all das, was der Herr gesagt und verkündet hat.

* wird zunehmend und im nach hinein Jesus besser verstehen lehren. Und dort, wo die Botschaft Jesu vielleicht zunächst auf Unverständnis stößt oder

in einer bestimmten Situation unannehmbar erscheint, wird der Geist sie entschlüsseln und aufzeigen, wie einmalig, richtig und Heil bringend die Wahrheit Jesu ist.

* Nicht eine neue Lehre wird durch den Hl. Geist verkündet werden. Vielmehr wird er das aufgreifen, was Inhalt der Offenbarung Jesu war. Ganz mit ihm eins weiß er sich Christus verpflichtet, so wie Jesus – eins mit dem Vater – dessen Lehre verkündete.

Der Hl. Geist – so will Johannes den Gläubigen vermitteln – ist jener, der die Kirche an Christus und den Vater bindet. Durch den Hl. Geist werden die Gemeinden zu Gemeinden Jesu, zu Gemeinden tiefer Verbundenheit mit Gott.

IM ALLTAG VERBUNDEN MIT GOTT

Die Gläubigen der jungen Kirche damals werden mit großer Dankbarkeit die Worte des Evangelisten aufgenommen haben. Sie wurden ja nicht nur äußerlich angegriffen und verfolgt; es gab auch die inneren Spannungen und Richtungskämpfe: Judenchristen und Heidenchristen standen sich zuweilen eher feindlich als freundlich gegenüber. Der Unterschied zwischen arm und reich wurde nicht überall in geschwisterlicher Fürsorge ausgeglichen. Die Frage „Wie sollen wir uns so genannten „lauen“ Christen gegenüber verhalten?“ erhitzte viele Gemüter. In dieser – von vielen Spannungen durchtränkten – Lage müht sich Johannes, die Blicke der Gläubigen auf den Hl. Geist zu lenken. Ihm sollen die Gläubigen vertrauen. Er wird helfen, die Geister zu scheiden. Er wird helfen, dass Wahrheit und Echtheit sich durchsetzen. Irrwege, alles Fischen im Trüben, alle Unlauterkeit und Unechtheit wird er aufdecken, sichtbar und erkennbar machen. Alle gewaltsamen – oft mit gehässigem Streit durchsetzten – Auseinandersetzungen können unterbleiben. Der Hl. Geist wird dafür Sorge tragen, dass die Wahrheit und das Gute sich Bahn bricht und durchsetzen wird.

NEUE HERAUSFORDERUNGEN

Noch in einem zweiten Bereich waren die Worte über das Wirken des Hl. Geistes den Gläubigen damals eine große Hilfe. Mit der Entwicklung der Kirche kamen Fragen auf, zu denen sich Jesus überhaupt nicht geäußert hatte, wie sie zu seiner Zeit noch kein Thema waren. Nun war er nicht mehr da, ihn konnte man nicht mehr zu Rate ziehen und befragen. Die Ausbreitung des Christentums brachte z.B. die Frage mit sich: Wie in einer Ehe leben, in der ein Partner Christ geworden ist, der andere aber ungetauft bleibt? Oder: Wie sieht christliches Verhalten gegenüber der Sklaverei aus? Hinzu werden noch allerlei Situationen des Alltags gekommen sein. Gerade jene Gläubigen, die ihr Christsein sehr ernst nahmen, sahen sich nicht selten einer gewissen Ratlosigkeit ausgeliefert. Sie ermutigt Johannes: Vertraut darauf, bei ehrlicher Suche wird euch der Hl. Geist die Lösung vermitteln, die ihr bei einer Nachfrage bei Jesus von diesem als Antwort erhalten hättet. Denn der Hl. Geist wird in Übereinstimmung mit Christus zu euch sprechen. Er nimmt von dem, was Jesu ist. Wenn ihr auf den Hl. Geist hört, werdet ihr nicht an Jesus vorbei leben oder gegen seinen Willen handeln. Johannes weist mit dieser Antwort den Gläubigen den Weg in die Zukunft: Nicht ängstlich stehen bleiben bei den direkten Antworten Jesu, sondern für neue Situationen – unter der Leitung des Hl. Geistes – nach neuen Antworten und Lösungen suchen. Das ist der Wille Jesu für die Kirche. Darum schenkte und sandte er ihr den Hl. Geist.

MUT IM SCHWEREN DES KONKRETEN LEBENS

Noch eine dritte Absicht, so vermute ich, verfolgte Johannes mit der Darlegung über das Wirken des Hl. Geistes. Er möchte allen, die dazu neigen, schnell

„schwarz zu sehen“, Mut machen, mehr auf Gott zu vertrauen. Denn der Hl. Geist wird uns den Sinn dafür erschließen, was wir im Augenblick nicht oder nur sehr schwer ertragen können.

Als Jesus den Jüngern erklärt, er werde leiden müssen, widerspricht ihm Petrus auf das Heftigste: Das darf nicht sein! Dass Jesus leiden soll, kann Petrus sich in diesem Augenblick nicht vorstellen und nicht ertragen. Erst später erkennt und erfasst der Apostel, dass Jesu Weg des Leidens der einzig richtige ist. Wie viele der frühen Christen werden bei der ersten Christenverfolgung gedacht haben: Jetzt ist alles aus. Lasst uns fliehen, um unsere Haut zu retten. Erst später erkennen sie, dass Gott – neben den friedlichen Zeiten der Missionierung – selbst diese Situation des Unrechts an den Christen noch nutzen kann, dass das Christentum sich ausbreitet. Sie, die fliehen mussten, nahmen ihren Glauben mit und gründeten an anderen Orten christliche Gemeinschaften und Gemeinden. Jesus ist nicht zu besiegen: Weder durch Hinrichtung am Kreuz noch durch Verfolgung seiner Anhänger.

Wenn wir heute, am Dreifaltigkeitssonntag, durch den Evangelisten Johannes angeregt werden, uns mit dem Wirken des Hl. Geistes zu befassen, dann sollen wir erkennen, wie tief Gott mit der Kirche und jedem einzelnen Gläubigen verbunden ist. Auch wenn Christus nicht mehr unter uns weilt, lebt und wirkt er – verbunden mit dem Vater – dennoch kraftvoll unter uns und in uns durch den Hl. Geist. Wir sind keine verwaiste und von Gott verlassene Kirche. Vater, Sohn und Hl. Geist haben lebendige Gemeinschaft mit uns, sind die Quelle, aus der die Kirche und jeder einzelne von uns Leben und Kraft schöpfen kann.

Je mehr wir dies erfassen und verinnerlichen, um so mehr werden wir in Freude und Dankbarkeit das Fest der heiligsten Dreifaltigkeit feiern und einstimmen in das Gebet und den Lobpreis der Kirche: Ehre sei dem Vater, dem Sohn und dem Hl. Geist. Amen.

Seneschall Matthias David