24. Sonntag im Jahreskreis, Mk 8,27-35
WERBUNG ALLGEGENWÄRTIG
Ob man die Zeitung aufschlägt, ob man das Fernsehen einschaltet, etwas ist allgegenwärtig: Die Werbung!
Man sieht etwa einen vornehm gekleideten Golfspieler den Ball schlagen, dann wird der neueste Wagen von Mitsubishi eingeblendet. Wer also dieses Auto kauft, gehört zu den vornehmen Leuten, soll das heißen. Oder es wird einem mitgeteilt, dass man nun das beste Persil aller Zeiten kaufen kann. Die Parteien werben und versprechen in ihren Wahlprogrammen Wohlstand, Sicherheit und Arbeitsplätze für alle. Schließlich kommt die Pharmaindustrie und empfiehlt die Kraft des doppelten Herzens, also langes, langes Leben. Und überall Heiterkeit und Fröhlichkeit.
Ja, das alles verspricht Werbung: Zeitersparnis, Bequemlichkeit, Lösung praktischer Probleme aller Art. Mehr: Sie verspricht Ansehen, langes Leben, ja sogar Freude, Glück und Seligkeit. Welch ein Übermaß an Selbstlosigkeit und Menschenliebe scheint die Werbeveranstalter zu bewegen. Da braucht man nur dies oder jenes zu kaufen und schon hat man das Lebensglück in der Designertasche.
Wir wissen natürlich alle, schon bald auch die kleinen Kinder, dass diesen Werbeleuten und den Firmen, die sie beauftragen, unser Lebensglück und unsere Lebenszufriedenheit völlig egal sind, sondern dass sie lediglich intensiv an die Rendite ihrer Waren denken. Dazu nehmen sie den Mund recht voll. Und da für die Werbung nicht nur Millionenbeträge ausgegeben werden sondern Milliarden, scheint die Werbung Erfolg zu haben, scheinen doch sehr viele Leute diesen Versprechungen zu trauen.
JESUS „WIRBT“ FÜR DAS REICH GOTTES.
Wenden wir uns dem Evangelium zu. Das passt durchaus in diesen Zusammenhang. Denn wozu zieht Jesus durch Dörfer und Städte von Judäa und Galiläa? Doch auch um zu werben, um die Menschen für das Reich Gottes zu gewinnen.
Aber die Art und Weise, wie Jesus wirbt, ist eigenartig. Zunächst sieht es so aus, als arbeite Jesus auch mit großen Versprechungen: „Für wen haltet ihr mich?“ fragt er die Jünger.„Du bist der Messias“, sagt Petrus als Sprecher aller Apostel. Das ist eine gewaltige Verheißung. Messias, das bedeutet in der Vorstellung der Zeitgenossen den großen Befreier, den Sieger über alle Feinde, den Zerschmetterer der römischen Herrschaft, ja auch den Befreier aus allen anderen Nöten, aus Armut, Krankheit, Hunger, und den Retter vor dem Tod.
DIE ANTIWERBUNG CHRISTI
Aber es kommt von Jesus ganz anders als erwartet: „Ihr denkt falsch, der Messias muss leiden, wird verworfen, wird getötet.“ Die Jünger sind entsetzt. Denn was Jesus da sagt, ist alles andere als Werbung, sondern totale Abschreckung. Petrus nimmt Jesus sogar zur Seite und macht ihm Vorwürfe. Da kommt Petrus aber schlecht an: „Weg mit dir Satan“, sagt Jesus zu seinem Felsenmann.
Ja, es kommt sogar noch schlimmer. Nicht nur der Messias muss leiden, auch alle, die sich zu ihm bekennen: „Wer mein Jünger sein will, nehme sein Kreuz auf sich; dann folge er mir nach.“
Wie schrecklich dieses Wort ist, kommt uns kaum mehr zu Bewusstsein, weil es schon beinahe sprichwörtlich geworden, und damit abgegriffen ist. „Das ist halt ein Kreuz,“ sagen wir, „aber man muss es eben tragen“ Für den Menschen von damals aber tauchte das Bild der fürchterlichsten Hinrichtungsart jener Zeit auf, eben das Angebunden- Angenageltwerden an einem Balken, an dem der Gekreuzigte einen schrecklichen Todeskampf erleiden, durch die Folter sterben musste.
„SUNT LACRIMAE RERUM“
Wer will da noch mittun? Eigentlich müsste man erwarten, dass die Jünger sofort die Flucht ergreifen und Jesus im Stiche lassen. Aber sie bleiben. Sie merken, dass hier einer spricht, der nicht täuscht, nichts vormacht, nicht vernebelt, dem es nicht um seinen Vorteil geht, sondern unbedingt um die Wahrheit, der die Wirklichkeit beim Namen nennt.
Und die Wirklichkeit des menschlichen Lebens ist nun einmal begleitet von Risiko, Gefahr, Bedrückung und Leid von mancherlei Art, und schließlich erwartet jeden unausweichlich der Tod. Das ist keine christliche Schwarzmalerei, kein Versuch, den Wert des Lebens herunterzusetzen, sondern eine Wahrheit, die von Nichtchristen in gleicher Weise gesehen worden ist.
Vom größten heidnischen Dichter des römischen Altertums, von Vergil – Vater des Abendlandes hat man ihn genannt – ist uns ein unsterbliches Wort überliefert. Dieses zentrale Wort seines Hauptwerkes, der Aeneis, lautet: „Sunt lacrimae rerum“, „in allen Dingen, allen Wesen der Welt sind Tränen“. Vergil will sagen, dass die ganze Welt von Leid durchzogen ist, dass unendlich viele Tränen auf der Welt geweint werden.
Aber während der heidnische Dichter dies in trauriger Ratlosigkeit ausspricht, sagt uns Christus, dass das Leid der Weg zum Leben ist, dass wir uns und die Welt nur dadurch retten, dass wir vor der Wirklichkeit des Bösen nicht die Augen verschließen.
JESUS ÖFFNET DIE AUGEN FÜR DIE WIRKLICHKEIT DES LEBENS
Das ist die wichtige Botschaft für uns alle. Denn man sagt mit Recht, dass unsere heutige weltliche Gesellschaft so gut unterhalten ist wie nie zuvor, aber trotz aller Medien noch nie so schlecht informiert war wie heute, schlecht informiert über die Realitäten des Lebens, die letztlich zählen. Viele Menschen sehen die Welt nicht so, wie sie ist, sondern wie sie das Fernsehen interpretiert und übernehmen unbesehen die flachen Weltdeutungen wenig weiser Filme- und Fernsehmacher.
So ist es eine Gnade, dass Christus in aller Offenheit zu uns redet, wie es im Evangelium heißt. Es sind nicht immer angenehme Wahrheiten, die er uns mitteilt, aber sie sind Wort des lebendigen Gottes. Es kommt nur darauf an, ob wir sie hören wollen.
Ordensgeistlicher Matthias David