DAS WAHRE VOLK GOTTES

(Predigtgedanken zum 27. So. i. Jahreskreis / 18. So. n. Trinitatis, Mt 21:33-44)

                                                                                     FRÜCHTE BRINGEN

Das Evangelium des heutigen Sonntags befasst sich mit der Frage: Wer ist das wahre Volk Gottes? Dabei bleibt unbestritten, dass Jahwe sich einst Israel als sein Volk erwählt hat. Aber die Führer des Volkes handeln nicht Gott ergeben, sondern wie die beschriebenen Pächter des Weinbergs. Sie wollen selbst die Herren sein, anstatt ihrem Gott Jahwe zu dienen.

In anschaulichen Bildern wird das Fehlverhalten der Führer des Volkes beschrieben. Sie verjagen und misshandeln die Diener des Herrn. Gemeint sind die Propheten, die im Namen Jahwes auftraten. Schließlich gehen die Pächter so weit, den eigenen Sohn des Herrn aus dem Weinberg zu vertreiben, um ihn dann zu töten. Die Anspielung auf Jesus ist eindeutig. Auch er wird aus Jerusalem, dem Zentrum Gottes für das auserwählte Volk, hinausgetrieben und vor den Mauern der heiligen Stadt hingerichtet.

Mit der Frage Jesu an die Schriftgelehrten und Pharisäer, was mit solchen Pächtern zu tun sei, sprechen diese – mit ihrer Antwort – über sich selbst das Urteil: Der Herr wird seinen Weinberg anderen anvertrauen. Jesus bleibt nur noch, die Führer des Volkes in ihrer Sicht der Dinge zu bestätigen: Das Reich Gottes wird denen gegeben, die die erwarteten Früchte bringen.

Worin die Früchte bestehen, wird von Jesus oder Matthäus an dieser Stelle nicht weiter ausgeführt. Aber jeder weiß, was Jesus meint. Auch die Schriftgelehrten und Pharisäer kennen Jesu Einstellung. Öffentlich hat er verkündet, was der Wille Gottes ist und welche Früchte als gute Früchte anzusehen sind.

FRÜCHTE, AN DENEN GOTT GEFALLEN HAT

In der Lesung des heutigen Sonntags (Phil 6-9), die dem Brief des Apostels Paulus an die Philipper entnommen ist, wird uns als Erinnerung noch einmal vor Augen gestellt, worin die Früchte bestehen, an denen Gott Gefallen hat. Paulus hebt in seinem Schreiben an die Gläubigen hervor:

Was immer wahrhaft, edel recht,
was lauter, liebenswert, ansprechend ist,
was Tugend heißt und lobenswert ist,
darauf seid bedacht!
Und der Apostel fügt hinzu: Was ihr von mir gelernt, gehört und in meinem Verhalten gesehen habt, das tut.

Das Anliegen Jesu und des Evangelisten Matthäus sind deutlich spürbar: Um zum wahren Volk Gottes zu gehören, bedarf es mehr als nur in einem Gott gläubigen Volk geboren worden zu sein oder einer Gott gläubigen Religion anzugehören. Unser Herz muss sich öffnen für Gott und die Menschen; in unserem Wesen gilt es, das zu fördern und zu verwirklichen, was Gott an Gutem und als Tugend in uns angelegt hat.

Wo wir dies anstreben, wird Reich Gottes lebendig und beginnt zu blühen. Früchte der Liebe und Menschlichkeit fangen an zu reifen. Sicher haben wir alle diesen Vorgang schon miterlebt. Wir müssen uns nur darauf besinnen:
– Ein wenig Wärme unsererseits – und das Eis im anderen beginnt zu schmelzen
– Eine Hand voll Wohlwollen – und die frostige Stimmung schlägt um
– Ein wenig Großzügigkeit – und der Umgang miteinander wird locker
– Ein wenig Feingefühl – und niemand wird bloßgestellt oder gekränkt
– Ein wenig Vertrauen – und gleich kommt man sich ein gutes Stück näher
– Ein wenig Hoffnung – und schon geht es weiter
– Ein wenig Mut – und der Anfang ist gemacht

DAMIT DAS FEUER NICHT ERLISCHT

Schon ein wenig bewirkt oft viel. Diese Erkenntnis sollte uns aufmuntern und neu ermutigen, im Guten nicht nachzulassen, auch wenn wir die Ideale nicht im vollen Umfang erreichen. Wichtig ist: Das wahre Gottesvolk ist in Bewegung, ringt um das Gute, müht sich um die Liebe – will nicht Herr sein, sondern dienen.

Nun wäre es völlig falsch, beim heutigen Evangelium den Blick nur auf die Schriftgelehrten und Pharisäer zu lenken. An ihnen wird uns ja nur gezeigt, in welche Sackgasse wir laufen können, wenn unserem Herzen das Anliegen des Dienens abhanden gekommen ist oder mehr und mehr aus unserem Denken entschwindet. Matthäus richtet sich mit seinem Evangelium nicht an das Volk der Juden, sondern an die Gläubigen seiner Gemeinde. Sie will er davor bewahren, den gleichen Fehler zu begehen wie so manche Schriftgelehrte und Pharisäer. Die Gläubigen der zweiten Christengeneration – zu dieser Zeit schreibt Matthäus sein Evangelium – will er mahnen und warnen. Denn als Seelsorger sieht er, wie das Feuer und der Eifer der Urgemeinde bei manchem Gläubigen erlischt. Diese und wir sollen die Augen offen halten, um rechtzeitig zu erkennen, wohin der Weg führt, wenn nicht mehr Gott als der Herr anerkannt, geehrt und geliebt wird.

Unausgesprochen höre ich, wie Matthäus jedem von uns sagt: Verstehe dich als ein guter und treuer Arbeiter im Weinberg Gottes. Wie einem Pächter ist dir dein Leben, deine Kraft, sind dir deine Talente, die Welt von Gott, dem Herrn, übergeben. Bring vor ihn die Früchte, die auf seinem Gottesacker wachsen. Sei ihm und seinem Sohn Diener. Dann wird der Gott des Friedens – wie Paulus es in der Lesung ausdrückt – und die Fülle seines Segens mit dir sein, dann gehörst auch du zu denen, die das wahre Volk Gottes bilden.

Seneschall Ordensbruder Matthias David