DEN WEG EBNEN FÜR DEN HERRN

(Predigtgedanken zum 3. Advent – Joh 1:6-8, 19-28)

Johannes der Täufer ruft uns auf, dem Herrn den Weg zu bereiten. Die Zeit des Wartens hat ein Ende. Wir erahnen das erhoffte und erwartete Licht.

JENSEITS DES JORDAN

Den Ort kennen wir schon einmal: jenseits des Jordan. Aber so richtig kennen wir den Ort dann doch nicht. Wo ist jenseits des Jordan? Wie mag das Nest wohl heißen? Sind es womöglich mehrere? Doch: das wissen wir jetzt: an diesem Ort wird Großes vorbereitet – und auch gebührend bekannt gemacht. Dabei sind es nur Worte, die hier gesagt, gehört, geglaubt werden. Mehr nicht. Nur Worte. Aber die haben es in sich: Sie versprechen etwas. Was? Dass jetzt einer kommt und schon unterwegs ist! Das Licht! Schon die Ankündigung nimmt dem Dunkel Macht und Schrecken. Wird auch Zeit!

Unschwer für uns zu erraten – damals schon um einiges schwieriger. Jesus kommt. Jesus ist schon unterwegs. Johannes, von Gott gesandt, spielt sozusagen die Vorhut, den Boten – vielleicht auch das Empfangskomitee. Mit uns zusammen? Es muss auch nicht immer oder nur jenseits des Jordan sein. Jenseits des Jordan sind wir auch – irgendwie. Klar ist: Johannes ist nicht das Licht. Wir auch nicht. Es soll auch kein falscher Gedanke aufkommen: Wenn Licht – dann ER. Jesus. Aber schon der Gedanke daran macht die Gedanken hell, den Kopf frei, die Seele leicht. Jetzt verliert sogar die Wüste ihren Schrecken. Geröll und Sand. Die Einöde. Das unwegsame Gelände. Die Ruinen.

Ebnet den Weg für den Herrn! Johannes sagt das mit einer Leichtigkeit und Selbstverständlichkeit, dass die Welt stillstehen kann. Die alltäglichen Routinen, die kunstvollen Läufe in den Hamsterrädern, das müde Hetzen – alles wird aufgehellt. Ein Licht kommt!
Und wir kommen als Zeugen, um Zeugnis abzulegen für das Licht, damit – so heißt es im Evangelium – alle durch uns zum Glauben kommen. Das ist eine Perspektive! Das Licht kommt durch das Ohr!

Ich sehe viele Ohren. Sie werden von dem Lärm eingeholt. Von schlechten Nachrichten. Von verletzenden Worten. Von schrillen Tönen. Ob Ohren – Licht empfangen? Empfangen können? Wie doch Worte hell machen! Mal ein wenig stiller als sonst. Dann ein wenig schweigend. Nur zuhören. Schließlich geduldig und aufmerksam: Ich muss dir etwas sagen. Dann kann die Hoffnung den Weg in die Seele finden. Ein gutes Wort Tote aufwecken. Eine Stimme den Himmel öffnen. Jenseits des Jordan. Das Licht kommt durch das Ohr.

HEB IN DEN HIMMEL DEIN GESICHT

Jürgen Henkys hat 1981 ein niederländisches Lied ins Deutsche übersetzt. Es ist 1959 entstanden.

Das Volk, das noch im Finstern wandelt –
bald sieht es Licht, ein großes Licht.
Heb in den Himmel dein Gesicht
und steh und lausche, weil Gott handelt.

Die ihr noch wohnt im Tal der Tränen,
wo Tod den schwarzen Schatten wirft:
Schon hört ihr Gottes Schritt,
ihr dürft euch nicht mehr verlassen wähnen.

Er kommt mit Frieden. Nie mehr Klagen,
nie Krieg, Verrat und bittre Zeit!
Kein Kind, das nachts erschrocken schreit,
weil Stiefel auf das Pflaster schlagen.


Jürgen Henkys hat an das Evangelium gedacht, das uns heute jenseits des Jordan führt. Und dann doch mitten unser Leben trifft.

DIE NEUE GARDEROBE

Die biblischen Überlieferungen und Geschichten wissen von schwierigen Zeiten zu erzählen.
Da sind wir in guter Gesellschaft. Aber hören wir doch noch einmal in die Predigt des Propheten Jesaja hinein:
Der Geist GOTTES, des Herrn, ruht auf mir.
Denn der HERR hat mich gesalbt;
er hat mich gesandt,
um den Armen frohe Botschaft zu bringen,
um die zu heilen, die gebrochenen Herzens sind,
um den Gefangenen Freilassung auszurufen.


Unbefangen, fast schon ein wenig verwegen, stellt sich Jesaja hin – um eine frohe Botschaft zu bringen, gebrochene Herzen zu heilen und den Gefangenen die Freiheit anzusagen. Die Autorität, in der er spricht, benennt er auch: Der Geist Gottes ruht auf ihm. Jesaja ist sich sicher: Das Evangelium geschieht! Gebrochene Herzen werden heil! Gefangene werden frei! Mit jedem Wort geschieht ein Wunder. Was die Menschen dann später erzählen? Sie erzählen von der Hoffnungslosigkeit, von der Verzagtheit, von ausweglosen und verworrenen Situationen, aber sie erzählen auch von der Hoffnung, die Flügel verliehen hat.

Klagen verleihen keine Flügel. Klagen fressen sich fest. Klagen sind wie zerrissene Klamotten. Jesaja wusste das. Wir wissen es auch. Wenn Menschen in der Liebe, in der Treue Gottes geborgen sind, müssen die dunklen Schatten weichen und der Freude Platz machen. Und – kaum zu glauben: das ist das Wunder der Predigt. Im Reigen der Worte wird das Wunder, wird das Licht sichtbar:
Von Herzen freue ich mich am HERRN.
Meine Seele jubelt über meinen Gott.
Denn er kleidet mich in Gewänder des Heils,
er hüllt mich in den Mantel der Gerechtigkeit,
wie ein Bräutigam sich festlich schmückt
und wie eine Braut ihr Geschmeide anlegt.


Hier ist sie wieder: die Freude, der Jubel. Schauen wir dann genauer hin, gibt es wohl etwas zu feiern – sagen wir, eine Hochzeit. Wir brauchen etwas Neues zum Anziehen! Was ziehen wir uns an? Gewänder des Heils und den Mantel der Gerechtigkeit. Apropos Gewänder des Heils und Mantel der Gerechtigkeit: Diese edle Gewandung macht sich nicht nur vor dem Spiegel gut – sie verzaubert andere Menschen. In einem Lied heißt es, dass wir in ihnen „prangen“. Was wir hoffen, was wir glauben, was wir lieben – wir tragen es nach außen und, ganz nebenbei, fühlen wir uns so richtig gut in diesem Outfit!

Jesaja wartet noch mit einer Überraschung auf. Er lässt uns tatsächlich Gäste einer Hochzeit sein. Es ist ein betörendes Bild: Gott selbst erscheint als Bräutigam – und wir als Braut. Jesaja spricht von einem Geschmeide, das wir anlegen – Sie dürfen sich jetzt den schönsten und teuersten Schmuck vorstellen.

Das Bild von der Hochzeit ist ein ganz altes Bild für Kirche und für das Reich Gottes. Manche Gedanken haben sich da eingeschlichen, die nicht immer gut waren. Gott hat sich auf eine nicht standesgemäße Hochzeit eingelassen! Wenn ein Bild passt, dann das von der Magd. Oder von Aschenputtel. Eine faszinierende Begegnung: Gott hat uns seine Liebe erklärt. Es ist eine Liebesgeschichte. Unsere Liebesgeschichte mit Gott.

Ich stehe vor dem Kleiderschrank. Eigentlich passt nichts zu diesem Anlass. Meine Mittel reichen auch nicht. Da kommt er! Er bringt aus seinem schier unerschöpflichen Fundus Gewänder des Heils mit – und als Obergewand hüllt er uns in den Mantel der Gerechtigkeit. So habe ich mich noch nie gesehen – jetzt werde ich so gesehen. Von Gott und von den Menschen.

WER BIST DU?

Gehen wir doch noch mal zum Schluss an den Jordan. Johannes muss sich gerade erklären. Wer bist du? Haben die Priester und Leviten gefragt. Ich höre Johannes sagen:
„Ich bin die Stimme eines Rufers in der Wüste:
Ebnet den Weg für den Herrn!,
wie der Prophet Jesaja gesagt hat.“


Ich bin zwar nicht Johannes – heißt jemand von Ihnen so? -, aber das will ich gerne machen:
Einfach einen Weg ebnen. Dann kann die Hoffnung den Weg in die Seele finden. Ein gutes Wort Tote aufwecken. Eine Stimme den Himmel öffnen. Jenseits des Jordan. Das Licht kommt durch das Ohr.

Seneschall Matthias David