(Predigtgedanken zum 9. Sonntag im Jahreskreis / 1. Sonntag nach Trinitatis – Mk 2,23 – 3,6; Dtn 5,12-15; 2 Kor 4,6-11)
Der Sonntag ist für den Menschen da: wir dürfen ausruhen und durchatmen. Nicht wir halten dann den Sonntag, der Sonntag hält uns. Das Wort Gottes und die Eucharistie sind Kraftquellen für das Leben.
DER SONNTAG IST FÜR DEN MENSCHEN DA
Jesu Worte und Taten fordern Widerspruch heraus. Der Grund der harten Auseinandersetzung zwischen ihm und den frommen Pharisäern ist vordergründig die verschiedene Auslegung des Sabbatgebotes. „Der Sabbat wurde für den Menschen gemacht, nicht der Mensch für den Sabbat.“ sagt Jesus. Und er fragt weiter: „Was ist am Sabbat erlaubt – Gutes zu tun oder Böses?“ Letztlich spüren die Gegner Jesu, dass er beansprucht, den Willen Gottes zu verkünden. Das darf für sie nicht sein.
Unser christlicher Sonntag leitet sich vom jüdischen Sabbat ab. Dieser war in Israel, das von einer heidnischen Welt umgeben war, einzigartig. Der Mensch darf am siebten Tag ruhen, weil „Gott den siebten Tag segnete und heiligte; und an ihm ruhte, nachdem er das ganze Werk erschaffen hatte.“ Wir Christen feiern den Sonntag als Tag der Auferstehung. Der Sonntag ist für den Menschen da: wir dürfen ausruhen und durchatmen. Das Freisein von Arbeit wird vom staatlichen Gesetz geschützt, um sich auszuruhen, Familie zu leben, Kranke zu pflegen. Wir Christen können am Sonntag mit und für die Gemeinschaften leben, die uns tragen. Z. B. die Pfarrgemeinde oder den Orden, gemeinsam Feste feiern und die Gemeinschaft unterstützen, wo wir leben.
Der Sonntag ist für den Menschen da. Vergessen wir dabei nicht, dass viele Menschen am Sonntag arbeiten müssen, weil sie auch für uns da sind: die Ärzte und Krankenpfleger, alle öffentlichen Dienste, auch die Tourismus- und Gastronomieangestellten.
DER GOTTESDIENST AM SONNTAG
Der Sonntag ist für den Menschen da durch den Gottesdienst. Es kann nicht darum gehen, Pflichten abzuleisten, die uns einengen. Der Gottesdienst ist für den Menschen da, weil er unser Menschsein durch das Wort Gottes befreit. Manche fragen: Was habe ich davon, wenn ich in den Gottesdienst gehe?“ Da möchten wir heraus rechnen, was für mich dabei heraus springt? Eine Mutter gibt ihrem Kind zu essen, nicht weil sie fragt, „was springt für mich dabei heraus?“, sondern weil sie ihr Kind liebt. Beziehung und Liebe sind die Grundhaltungen Gottes den Mitmenschen gegenüber. Das Leben ist kein Sammelband von Rechnungen, was ich zu kriegen habe, sondern Hingabe. Dann wird es erst schön. So auch im Gottesdienst.
Durch das regelmäßige Mitfeiern des Gottesdienstes geht eine prägende Kraft aus, die ins Leben einwirkt. Mir persönlich ist es eine unverzichtbare Erfahrung, in der Göttlichen Liturgie (Божественна Літургія) der Gemeinde zu erleben, wie wahr das Jesuswort ist: „Wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, da bin ich mitten unter ihnen!“ Nach jahrzehntelanger Erfahrung muss ich sagen: „Hier ist die Quelle meines Optimismus’!“ Das schlimme Fehlen dieser Erfahrung hat mir ein Kind bestätigt: „Immer wenn bei uns in der Kirche ein Fest ist, müssen wir wegfahren.“
LEBEN AUS DEM WORT
„Ich brauche das Wort Gottes, um damit eine ganze Woche zu leben“, bekennt jemand, für den ein Sonntag ohne Gottesdienst kein Sonntag ist. Nur das stetige Hinhören auf dieses Wort schenkt uns die Erfahrung, dass der Mensch auch von jedem Wort aus Gottes Mund lebt. Um aus dem Wort Gottes zu leben, braucht es Einübung. Das geht nicht in einem Augenblick oder in einem schnellen Gottesdienstbesuch, das ist ein Weg, Woche für Woche.
LEBEN AUS DER EUCHARISTIE
„Deinen Tod, o Herr, verkünden wir, und deine Auferstehung preisen wir.“ „Wer aber dieses Brot isst, wird leben in Ewigkeit.“ (Joh 6, 58). In einer von großer Zukunftsangst geprägten Zeit stellt uns die Mitfeier des Gottesdienstes auf ein Fundament der Hoffnung. Sie schenkt Gelassenheit, lässt den Glauben und Zuversicht wachsen.
Bleiben wir im regelmäßigen Gespräch mit Jesus und im regelmäßigen Kontakt mit der Gemeinde. Üben wir die gute Gewohnheit des Sonntags ein, dann trägt mich die Gewohnheit auch dann, wenn ich wenig Lust habe. Nicht wir halten dann den Sonntag, der Sonntag hält uns. Wenn ich die Gewohnheit aufgebe, finde ich nur schwer zurück zum regelmäßigen Gottesdienst.
Amen.
Seneschall Matthias David