In der heiligen Woche sind wir mit Christus den Weg vom Einzug als Messias, seinem Abschiedsvermächtnis bis zu seinem Tod am Kreuz und bis zum leeren Grab mitgegangen. Seine Auferstehung stärkt unsere Hoffnung und gibt uns Kraft, eine Kultur des Lebens zu pflegen.
MIT DEM MESSIAS UNTERWEGS
Mit dem heutigen Festgottesdienst haben wir den Höhepunkt der Osterwoche erreicht. Am Palmsonntag sind wir mit dem Herrn in die heilige Stadt Jerusalem eingezogen. Jerusalem, der Ort, an dem der Tempel als Zeichen der Gegenwart Gottes stand. Jerusalem, die Stadt, in der der seit dem Ende des Königtums in Israel erwartete Messias nicht nur das Königtum erneuern, sondern dessen Kommen alles verändern wird.
Wir waren am Gründonnerstag Gäste im Abendmahlssaal, in dem Jesus seinen Jüngern die Füße wusch und ihnen so den Charakter seines Königtums bezeugte. Sie sollen nicht herrschen und ihre Macht über die Menschen missbrauchen. Sie sollen ihnen die Füße waschen und den Menschen dienen.
Wir standen am Karfreitag am Kreuzweg des Herrn und konnten sehen, wie ernst es ihm damit war. Natürlich hätte sein Vater ihm Engel schicken können, die ihn aus der Hand des Pilatus befreien. Aber er war gekommen, um für die Wahrheit bis zuletzt Zeugnis zu geben: Gottes barmherzige Liebe zu allen Menschen.
DER TOD SPRICHT NICHT DAS LETZTE WORT
Heute morgen stehen wir mit den Frauen vor dem leeren Grab. Staunend. Fragend. Zweifelnd. Hoffend. Und glaubend. Glaubend, dass Gott in Jesus Christus wirklich eine neue Schöpfung begonnen hat. Den Tod, die Folge des Ungehorsams der ersten Menschen, vernichtet hat. Der Tod spricht nicht das letzte Wort über unser Leben. Die Tür zum Paradies steht wieder offen. Endgültig offen.
Der Glaube an die Auferstehung vom ewigen Tod ist allerdings keine alleinige Vertröstung auf das Jenseits. Der auferstandene Herr schickt seine Jünger hinaus in die Welt. Dort sollen sie ihren Glauben bezeugen, indem sie sich den lebensfeindlichen Kräften im Leben der Menschen nicht hilflos ausliefern, sondern mutig für das Leben eintreten: Geht hinaus: Legt den Kranken die Hände auf. Treibt die Dämonen aus. Sagt den Verzagten: Habt Mut. Tröstet die Traurigen. Befreit die Gefangenen und sagt den Menschen: Das Reich Gottes ist nahe.
Überall dort, wo Christen gegen die Kultur des Todes angehen und sich für eine Kultur des Lebens einsetzen, ist die Kraft der Auferstehung schon spür- und erfahrbar. Die Auferstehung, die wir am Ende unseres Lebens dann in ihrer ganzen Vollendung erfahren dürfen.
DIE KULTUR DES TODES ÜBERWINDEN
Und doch – muss ich zugeben – kann man manchmal schon verzweifeln. Verzweifeln darüber, dass das Böse – trotz des Sieges Christi über den Tod – immer noch so viel Macht in der Welt hat. Giftgas in Syrien. Raketen auf ukrainische Städte. Ein nordkoreanischer Diktator mit Zugang zu Atomwaffen. Und all die anderen Konflikt- und Kriegsherde, Hunger- und Naturkatastrophen, die es in der Welt gibt.
Ich möchte Hoffnung haben. Ich möchte mich im Rahmen meiner Möglichkeiten in meiner kleinen Welt gegen die Kultur des Todes stemmen. Wie kann ich – über diesen Ostergottesdienst hinaus – diese Hoffnung am Leben erhalten?
EINE KULTUR DES LEBENS AUFBAUEN
Ich kann dabei immer wieder nur auf Christus schauen. Ausgehend von seiner Auferstehung auf sein Leben und seine Art zu leben blicken. Und ich entdecke so etwas wie eine Strategie, mit der der Herr sich für das Leben einsetzt. Da ist zum einen seine tiefe Gottesbeziehung und seine tiefe Geborgenheit in der Liebe seines Vaters. Ich lerne daraus: Ohne ein solch tiefes Gottvertrauen und eine lebendige Gottesbeziehung stehe ich dem Bösen machtlos gegenüber. Deshalb gilt mein erstes Bemühen der Pflege der Beziehung und Freundschaft zum Herrn. Diese Freundschaft ist die Grundlage meines christlichen Lebens.
Ich lerne ein Zweites: Christus hat für die Verkündigung der Frohen Botschaft nicht andere leiden lassen, sondern er hat selbst gelitten. Er hat nicht andere für sich sterben lassen, er hat sein eigenes Leben hingegeben. Er hat das Kreuz nicht anderen aufgebürdet, sondern hat es selbst getragen. Zur Nachfolge des Herrn gehört diese Bereitschaft, das Kreuz zu tragen. Das kann bedeuten, den Zweifel auszuhalten, an der scheinbaren Ohnmacht angesichts der Kräfte des Bösen zu leiden, die innere Zerrissenheit anzunehmen, das Scheitern mancher gut gemeinter Aktion und die Ablehnung mancher Hilfsangebote zu tragen.
ZEICHEN DER AUFERSTEHUNG IM TÄGLICHEN LEBEN
Es bedeutet aber auch, sich vom Herrn immer wieder die Augen öffnen zu lassen, um die kleinen Zeichen der Auferstehung in unserem Leben und Alltag sehen zu können:
Die vielen, die sich trotz Widerständen und sogar juristischen Schritten immer wieder für echte Flüchtlinge einsetzen.
Die Opferbereitschaft so vieler Eltern zu sehen, die auf vieles verzichten, damit ihre Kinder sich gut ausbilden, wertorientiert leben und einfach gute Menschen werden können.
Das Engagement der Erzieher und Erzieherinnen, der Mitarbeiter in der Altenpflege und in den Krankenhäusern zu sehen, die immer wieder die Würde des Kindes, des kranken oder alten Menschen in den Mittelpunkt ihrer Arbeit stellen.
Und so wie wir die Liste der Kultur des Todes am Beginn der Predigt noch lange hätten fortsetzen können, so können wir eben auch die Liste derer, die sich für die Kultur des Lebens einsetzen noch lange fortsetzen.
Christus ist auferstanden. Wenn wir Gott bitten, uns die Augen zu öffnen, dann können wir an so vielen Stellen sehen, wie lebendig die österliche Kraft in der Welt schon ist.
Wie kann ich – über diesen Ostergottesdienst hinaus – diese Hoffnung am Leben erhalten? Das war die Frage. Indem ich mich in Gott immer tiefer verwurzele. Indem ich bereit bin, auch das Kreuz in meinem Leben zu tragen. Aber vor allem: Indem ich mir den Blick auf die kleinen österlichen Erfahrungen im Alltag meines Lebens nicht verstellen lasse.
Christus ist auferstanden von den Toten. Das ist meine Hoffnung. Darauf baue ich mein Leben.
Amen
Seneschall Matthias David