Die Ernte ist groß

Predigtgedanken zum 14. Sonntag im Jahreskreis Lk 10:1-12.17-20

An vielen Briefkästen findet man Aufkleber mit der Aufforderung „Bitte keine Werbung“. Werbung wird von vielen als lästig empfunden. Werbeblöcke im Fernsehen verleiten dazu, auf andere Programme umzuschalten oder zwischendurch etwas zu erledigen, bis das gewünschte Programm fortgesetzt wird. Die Werbeleute müssen sich immer raffiniertere Methoden einfallen lassen, wie sie ihre Botschaften an den Mann, an die Frau bringen.

Ähnlich schwierig ist es, religiöse Botschaften zu übermitteln. Auch da treffen wir häufig auf den Wunsch: Bitte lass mich damit in Ruhe. Auch da ist es notwendig, immer nach neuen Wegen Ausschau zu halten, wie Menschen dafür interessiert werden können.

Mission ist möglich

Im Evangelium dieses Sonntags lesen wir, wie Jesus Jünger ausschickt, um die Wirkung seiner Predigt zu vervielfachen. In diesen Bericht sind wohl auch Verhaltensregeln aus der Missionstätigkeit der ersten Christengenerationen eingeflossen und Jesus selbst in den Mund gelegt. Es wird beschrieben, was Missionare tun sollen und was sie besser nicht tun sollen. Manche Anweisung versteht sich von selbst, manche überrascht. So z. B. die Regel, unterwegs niemand zu grüßen. Dass dies keine Anleitung zur Unhöflichkeit sein will, zeigt bereits der nächste Satz, in dem erklärt wird, wie man grüßt, wenn man in ein Haus kommt. Mit der Aufforderung „grüßt niemand unterwegs“, sollte wohl verhindert werden, dass die Missionstätigkeit mit anderen Erledigungen verbunden wird, wie etwa Botendienste, Verwandten- oder Freundschaftsbesuche. Diese hätten die Aufmerksamkeit von der eigentlichen Aufgabe abgelenkt. Die meisten Regeln lassen ein Ringen um die Glaubwürdigkeit der Prediger erkennen. Vermutlich war dies bereits damals ein kritischer Punkt in der Verbreitung der Frohen Botschaft.

Mir fallen vor allem drei Punkte auf, die die Aussendung der 72 Jünger und die Mission der Christen im ersten Jahrhundert charakterisieren:

  • Sie vermeidet Aufdringlichkeit und richtet sich an Menschen, die in diesem Moment für die Botschaft empfänglich sind. Die Jünger sollen dort einkehren und bleiben, wo sie willkommen sind, wo ihre Gastgeber für ihre Botschaft empfänglich sind, wo man für sie offen ist, bzw. in gewissem Sinne bereits auf sie wartet.
  • Weiter ist der Inhalt ihrer Botschaft sehr einfach. Sie lässt sich in einem Satz zusammenfassen: Sagt den Leuten: Das Reich Gottes ist euch nahe.
  • Schließlich sind die Jünger lediglich Vorboten dessen, der selbst zu den Menschen kommt: Jesus, der Messias, der Erlöser.

unaufdringlich

Die Boten Jesu brauchen nicht aufdringlich zu sein. Sie brauchen nichts an den Mann, an die Frau bringen, nichts verkaufen, nichts unterjubeln, nichts aufdrängen. Gott ist schon bei den Menschen, bevor Missionare zu ihnen kommen. In ihrer Sehnsucht nach Frieden und nach Wahrheit ist bereits auch die Sehnsucht nach Gott enthalten. Gott selbst weckt diese Sehnsucht und bestellt damit den Ackerboden, auf den der Same seines Wortes fällt.

Vor einigen Jahren besuchten wir im Rahmen einer so genannten Glaubensmission in einer größeren Stadt alle älteren Menschen einer Pfarrei, die nicht mehr mobil genug waren, um in die Kirche zu kommen. Eine Frau wartete auf diesen Besuch schon seit Tagen und gestand mir, sie habe schon befürchtet, wir hätten sie vergessen oder übersehen. Sie wartete auf eine Gelegenheit, ihr Herz auszuschütten, von der Not ihres Lebens erzählen zu können und sich mit Gott zu versöhnen. Sie lebte in einem Umfeld, das ihr verbot, mit der Kirche oder mit dem Pfarrer Kontakt aufzunehmen.

Oft habe ich den Eindruck, dass in manchen Menschen erst durch das Schicksal die Sehnsucht nach Gott wachgerufen werden muss und dass dann jener Mensch, der ihnen zu sagen vermag, „das Reich Gottes ist nahe“, ein willkommener Bote Gottes ist.

einfach

Damit liegt bereits der Inhalt der Mission vor uns. Sie lässt sich in dem Satz zusammenfassen: Sagt den Leuten: Das Reich Gottes ist nahe. Darin ist enthalten, dass uns Gott nahe ist und dass er die Herrschaft inne hat. Er wirkt und gestaltet das Leben der Menschen. Er hat keinen von uns vergessen und auch nicht dem Spiel fremder Mächte überlassen. Dieser Satz ist eine Einladung, unsere Hoffnung ganz auf ihn zu setzen.

Religion und Glaube erscheinen oft als ein kompliziertes und schwer zu durchschauendes System. Wenn man Theologen und Kirchenleuten zuhört, verlässt manche der Mut, vom Glauben zu reden und den Glauben weiter zu geben. Im Grunde ist Glaube etwas ganz Einfaches: sich auf Gott einlassen, sich auf Gott verlassen. Jeder, auch der einfachste Mensch ist fähig, dies auszustrahlen.

Äußeres Zeichen der Nähe und des Wirkens Gottes ist das Gesundwerden. Das Wissen um die Nähe Gottes gibt uns Geborgenheit und bildet die Basis des sich Wohlfühlens und des Gesundwerdens. Die Sorge um die Gesundheit der Menschen und die Hinwendung zu den Kranken sind ein unverzichtbarer Teil des kirchlichen Engagements.

auf Christus hin

Jesus schickte seine Jünger überall dorthin, wohin er selbst kommen wollte. Das gilt auch heute noch. Was wir als Jünger Jesu tun können, ist, das Kommen des Herrn anzukündigen und zu erwarten. Nicht wir selbst sind die Botschaft, auch nicht die Kirche, auch nicht das, was der Glaube an Gutem und Erfreulichem bewirkt. Ziel jeder Mission ist die Begegnung mit Christus selbst. Alles Weitere liegt in seinen Händen.

Mission ist notwendig

Jesus anzukündigen, zu ihm hinzuführen, den Menschen zuzusichern, dass das Reich Gottes nahe ist, und jene ausfindig zu machen, die bereit sind, diese Frohe Botschaft anzunehmen, ist auch heute noch Aufgabe der Jünger Jesu. Das Wort Mission wird heute munter für alle möglichen anderen Dinge gebraucht, die wir lieber nicht mit Gott in Verbindung bringen, als Filmtitel etwa oder in politischen Zusammenhängen. Im kirchlichen Kontexte klingt in vielen Ohren noch der Missbrauch religiöser Macht mit, so dass wir diese Bezeichnung nur mehr ungern gebrauchen. Die Aufgabe bleibt und als Jüngern Jesu auch heute noch aufgetragen und hat Vorrang vor allen anderen Angelegenheiten des kirchlichen Alltags.

Seneschall Matthias David