(Predigtgedanken zum 5. Sonntag der Osterzeit Joh 14: 1 – 12)
Die Wohnungsfrage ist immer auch eine Beziehungsfrage. Jesus geht heim zum Vater, weil er innig mit ihm verbunden ist. Er will auch uns Heimat geben, indem er uns in seine Beziehung zum Vater hineinnimmt. Beziehungspflege – zu Gott und zu den Mitmenschen – schafft Wohnqualität.
WOHNUNGSSUCHE
Vor einiger Zeit wurde eine Statistik veröffentlicht, die europaweit vergleicht, in welchem Alter im Durchschnitt Kinder das Elternhaus verlassen. Deutsche werden im Schnitt mit 24,4 Jahren flügge. Der europäische Durchschnitt liegt bei 26,6. Die Gründe für die wohnungsmäßige Selbständigkeit sind wohl vielfältig. Wann kann man sich eine eigene Wohnung leisten? Das hängt vom verfügbaren Einkommen wie auch vom Wohnungsmarkt ab. Nicht zuletzt wohl auch davon, wie gut das Verhältnis zur eigenen Familie ist. „Hotel Mama“ ist oft sehr praktisch…
Ältere Menschen beschäftigt eine andere Wohnungssuche. Sie fragen sich: Wie lange werde ich in meiner gewohnten Umgebung leben können? Wie organisiere ich es, wenn ich Pflege brauche? Wer wird mir Heimat geben, wenn Verwandte und Freunde altersbedingt immer weniger werden?
Die Wohnungsfrage ist immer auch eine Beziehungsfrage. Wo fühle ich mich wohl? Wo lebe ich gerne?
Im Evangelium kündigt Jesus an, dass er zum Vater vorausgeht, um für die Seinen einen Platz vorzubereiten. „Im Haus meines Vaters gibt es viele Wohnungen“, sagt er zu seinen Jüngern. Dieser Text wird gerne für Begräbnisfeiern ausgewählt. Es geht darin aber um mehr als um unsere Zukunft nach dem Tod, so tröstlich dieser Aspekt auch ist. Jesus zieht es heim zum Vater. Zeitlebens war er aufs innigste mit ihm verbunden. Immer wieder hat er sich zurückgezogen, um im Gebet bei ihm zu verweilen. Die Beziehung zum Vater hat ihm die Kraft gegeben, seinen Weg als Prophet und Messias zu gehen. Sie hat ihm in der äußersten Verlassenheit seines Todes Halt gegeben und getragen.
DAHEIM BEIM VATER
Während er unterwegs war, um die Frohe Botschaft vom Reich Gottes zu verkünden, hat er Freunde, Mitstreiter und Jünger gefunden, die ihn begleiteten. Sein Beziehungskreis hat sich ausgeweitet. Aber auch der Beziehungskreis seiner Begleiter wurde größer. Sie sind untereinander zu Freunden geworden, und Jesus hat sie in seine innige Beziehung zum Vater hineingenommen. Jesus hat von sich einmal gesagt: „Die Füchse haben ihre Höhlen und die Vögel ihre Nester; der Menschensohn aber hat keinen Ort, wo er sein Haupt hinlegen kann“ (Mt 8,20). Dennoch waren er und seine Freunde nicht heimat- und wohnungslos: Er wusste sich in Gott beheimatet.
Thomas will von Jesus den Weg zum Vater wissen. Dieser antwortet ihm mit zunächst rätselhaften Sätzen: „Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben; niemand kommt zum Vater außer durch mich!“ Philippus möchte, dass Jesus ihnen den Vater zeige. Er bekommt zur Antwort: „Wer mich gesehen hat, hat den Vater gesehen.“ Diese geheimnisvollen Sätze lösen sich auf, wenn wir das Beziehungsgeflecht Jesu anschauen. Wenn jemand eine so innige und intensive Beziehung zum Vater hat wie Jesus, dann erkennt man in ihm den Vater, ohne den Vater von Angesicht zu Angesicht gesehen zu haben.
In persönlichen Gesprächen erzählen mir oft Menschen von ihren guten oder auch schwierigen Beziehungen zu den Eltern. Ohne diese zu kennen, entsteht in mir ein Bild von diesen Personen. Und ich glaube, dass dieses Bild nicht völlig aus der Luft gegriffen ist. Ein geflügeltes Wort, das auf Johann Wolfgang Goethe zurückgeht, behauptet, „Sage mir, mit wem du umgehst, so sage ich dir, wer du bist!“ Die Menschen, mit denen wir leben, färben nicht nur auf uns ab, sie sind ein Teil unseres Lebens. Wenn wir uns vom unsichtbaren Gott ein Bild machen wollen, schauen wir am besten auf Jesus. An der Art und Weise, wie er lebte und mit den Menschen umging, können wir erkennen, wie Gott ist.
BEZIEHUNGSPFLEGE
Die Ankündigung Jesu, dass er vorausgehe, um uns eine Wohnung zu bereiten, verstehe ich nicht in erster Linie als Trost oder letzte Absicherung meines Lebens. Ich sehe darin vor allem eine Einladung, meine Beziehung zu ihm zu intensivieren. Sie wird auf mein Leben abfärben und auch mich in die Richtung verändern, wie er gelebt hat. Sie wird mich in seine Beziehung zum Vater hineinnehmen, und ich darf hoffen, dass ich bei Jesus und beim Vater ein immer willkommener Gast sein werde.
Jesu innige Freundes- und Vaterliebe ist aber auch eine Herausforderung, der Beziehungspflege sowohl in der Familie wie auch im Freundeskreis einen hohen Stellenwert beizumessen. Gerne bin ich bei meinen Verwandten zu Gast. In ihnen lebt der Geist des Elternhauses fort. Gerne besuche ich Freunde und teile mit ihnen mein Leben. Denn wo Freunde in Eintracht zusammen sind, erleben wir etwas von jener „Wohnqualität“, die uns Jesus verheißen hat. Freunde vertragen auch die Wahrheit. Diese braucht nicht vermieden zu werden, um Konflikte zu umgehen. Echt sind Freundschaft und Liebe, wenn man sich trotzdem liebt.
Das Evangelium von den Wohnungen beim Vater und vom Weg zum Vater wird in diesem Jahr eine Woche vor dem Muttertag gelesen. An diesem Tag danken wir unseren Müttern, Eltern und Großeltern für alles, was sie uns ins Leben mitgegeben haben. Neben dem Geschenk des Lebens gehört der familiäre Zusammenhalt zum Kostbarsten, was sie uns geben konnten. Dieses Erbe weiterzugeben und zu pflegen ist der schönste Dank, den wir ihnen zurückgeben können. Jesu innige Vater- und Mutterliebe weisen uns den Weg dazu. Amen.
Seneschall Matthias David