ES BERÜHREN SICH HIMMEL UND ERDE

Predigtgedanken zum 2. Fastensonntag – Lk 9:28b – 36 & Gen 15:1 – 18

Der Refrain eines Neuen Geistlichen Liedes lautet: „Da berühren sich Himmel und Erde…“. Dieser Text führte mich zu den heutigen Lesungen aus dem Alten Testament und dem Evangelium. Können wir wirklich Gott begegnen, wo oder was sind Schritte, solche „Stern-Stunden“ zu erfahren? Wo berühren sich „Himmel und Erde“ im Alltag?

BERÜHRENDE MOMENTE

Es gibt Momente, wo Menschen Sternstunden, oder „Gipfelerlebnisse“ erleben dürfen, die wir dann als solche bezeichnen dürfen: „Da begegnen sich Himmel und Erde…“ Wenn wir in der Wüste den schönen und reichen Sternenhimmel betrachten dürfen, oder an einer abgelegenen Berghütte, wo kein anderes Licht stört, kann man ins Staunen geraten. Da erahnen wir die Größe des Universums, zugleich aber auch die „Kleinheit“ des Menschen. Wohl schon seit Menschengedenken gehören solche Erfahrungen zu den „Gottesbegegnungen“, zum Weg zur Transzendenzerfahrung.

Auch heute noch begegnen sich dann für einzelne „Himmel und Erde“, werden die Fragen nach dem „Woher, Wozu und Wohin“ aktuell, oder werden wir zu Staunenden und Fragenden: „Wer hat das wohl alles erschaffen?“
Für mich persönlich waren solche Erlebnisse wie der Blick in einen großartigen Sternenhimmel immer tief beeindruckend. Solche Erlebnisse vergisst man nicht. – Sind diese aber auch gleich „Gottesbegegnungen?“

ABRAHAM UND DIE JÜNGER JESU

Da begegnen sich „Himmel und Erde“. Viele werden sich vielleicht einfacher hineinversetzen können in die Geschichte von Abraham, der in einen tiefen Sternenhimmel blickt und dabei eine Verheißung für sich und sein Volk erfahren durfte. Der bekannte Künstlerpriester Sieger Köder hat diese Szene in einem seiner bekannten Bilder ausgestaltet: Der dunkle blaue Himmel mit unzähligen Sternen, davor Abraham im breiten Mantel in den Himmel blickend. „Da begegneten sich Himmel und Erde“…

Auch im heutigen Evangelium wird uns von einer solchen „Sternstunde“ erzählt. Die drei Jünger gehen mit Jesus auf den Berg. Die Erfahrungen, welche diese dann machen durften, das strahlende Licht der Verklärung Jesu, haben diese wohl ein Leben lang nicht mehr vergessen; wohl vergleichbar mit den Erfahrungen aus der Begegnung mit dem Auferstandenen nach Ostern. Solche Erlebnisse prägten sich tief in das Leben der Jünger ein.

Solche Erlebnisse bringen dann ein ganz eigenes „Glücks-Gefühl“ hervor, man will diese Situationen einfach festhalten, was psychologisch gut nachvollziehbar ist: „Da begegnen sich Himmel und Erde“.

KÖNNEN WIR GOTT ÜBERHAUPT BEGEGNEN?

Die alte Frage der Mystiker und großen Gottsucher weltweit steht dahinter: Können wir Gott überhaupt begegnen? Sind wir als kleine sterbliche Geschöpfe eigentlich in der Lage, körperlich, geistig, seelisch, diese Nähe auszuhalten? Schleicht sich nicht dann sofort auch Angst ein, wie bei vielen Mystikern zu lesen ist? Wahrscheinlich können wir Gott nie wirklich begegnen, wohl aber seine „Boten“ und in seinen Zeichen. Oftmals sogar im Alltag, in beglückenden Begegnungen, in Erfahrungen von Frieden und Wohlergehen. Und natürlich können wir Gott in Jesus Christus, dem Sohn Gottes, in seinen Worten, seinen Gleichnissen, seinem „Hier-Sein“ begegnen. Aber auch Gottesdienste können uns eine Spur von der Gegenwart Gottes bewusst werden lassen. Erlebnisse in der Natur – wie ein herrlicher Sternenhimmel – können eine Spur Gottes hinterlassen. Menschen, die sich uneigennützig für Frieden, Gerechtigkeit und die „Ausgegrenzten“ einsetzen, können uns ins Staunen führen und eine Spur der göttlichen Nähe und Liebe vermitteln. Vergebung, Neuanfang in Beziehungen, auch unter Verwandten und Bekannten, können eine Spur von Gottes Gegenwart erfahren lassen.
Wenn so etwas möglich wird, „begegnen sich Himmel und Erde“.

Was hat das alles mit uns hier zu tun? Finden wir uns in diesen Bildern, in diesen Hinweisen und Geschichten wieder? Haben Sie selbst solche Momente erleben dürfen, oder eben nicht? Haben wir vielleicht im gemeinsamen Gottesdienst auch solche Momente schon erleben dürfen? Oder war alles eher Pflicht, Ritual, Routine? Wo waren und sind für uns Momente, wo sich Himmel und Erde nahe kamen, wo wir uns hineingenommen wissen in ein Geheimnis, welches in unsere Existenz, in unser eigenes Leben trifft?

„Der Christ der Zukunft wird ein Mystiker sein…“

Mir kommt da das berühmte Wort des großen Theologen des 20. Jahrhunderts, Karl Rahner, in den Sinn, welches schon oft zitiert wurde: „Der Christ der Zukunft wird ein Mystiker oder Frommer (einer, der Erfahren hat) sein, oder er wird nicht sein“. Ich merke mehr und mehr, dass diese Aussage wirklich wesentlich wird für die Erneuerung der Kirche, der Gemeinden, der religiösen Gruppen und Orden und der christlichen Familien. Da helfen noch so große pastoraltheologische Weiterbildungen und Strukturveränderungen, die ja auf vielen Ebenen voll im Gange sind, und das Christen- oder Gemeindeleben vertiefen sollen, nicht wirklich weiter. Manche sind vielleicht sogar hinderlich, bleiben auf einer „politischen“ oder theoretischen Ebene.

Menschen, die „erfahren haben“, werden nicht bei dieser ihrer Erfahrung, bei diesen „Stern-Erlebnissen“ bleiben, sondern sie werden diese im Alltag, in ihr Leben umzusetzen versuchen. So zum Beispiel in den Werken der Barmherzigkeit. Ein Blick darauf lässt staunen!
Einer der „Erfahren hat“, kann es nicht bei sich behalten, er wird Apostel, Jünger und Mitarbeiter in der Gemeinde, in religiösen Gruppen und Orden, in der eigenen Familie, in der Berufswelt, in Vereinen, in der Zivilgesellschaft. Nicht im Zwang, sondern aus einer Freiheit, die eigentlich nur aus dem Glauben an diesen Jesus Christus kommen kann.

Ich wünsche Ihnen auch im Alltag diese Spuren Gottes, die unvergesslich bleiben, die uns in Staunen versetzen, die ein Leben lang prägend bleiben; auch dann noch, wenn „dunkle Glaubenszweifel“ über uns ziehen, wenn Schicksalsschläge uns erfassen, Krankheiten, Unfälle oder Kriege, Hass und Not uns begegnen, die wir nicht mehr fassen können. Vielleicht brauchen wir gerade in diesen Zeiten dieses Erinnern und diese Erfahrungen aus dem Glauben und Staunen, die uns dabei tragen.

Im zitierten Liedtext heißt es:


„Wo Menschen sich verschenken,
die Liebe bedenken,
und neu beginnen, ganz neu,
da berühren sich Himmel und Erde,
dass Frieden werde unter uns.

Wo Menschen sich verbünden,
den Hass überwinden,
und neu beginnen, ganz neu,
da berühren sich Himmel und Erde,
dass Frieden werde unter uns“.


Möge es so sein!

Ordenskaplan Matthias David