GESEGNET IN EIN NEUES JAHR

(Predigtgedanken zum Neujahrstag Les1 Num 6, 22 – 27, Les2 Gal 4, 4 – 7, Evang Lk 2, 16 -21)

Ein neues Jahr

Das neue Jahr ist über Nacht gekommen. Nicht ganz unerwartet. Um Mitternacht haben viele Menschen den Himmel in ein Farbenmeer verwandelt. Es sprühte Licht. Wir haben uns ein gutes neues Jahr gewünscht. Manche Sorge hatte sich vorsichtshalber versteckt, manche Angst in Schweigen gehüllt. Wie ein Neuland liegt 2023 vor uns.

Nun haben wir drei Lesungen aus der Schrift gehört. Eine aus der Hebräischen Bibel, dem von uns sog. Alten Testament, die andere aus einem Brief des Apostels Paulus an die kleinen Gemeinden in Galatien, heute Türkei, schließlich das Evangelium mit dem Schluss der Weihnachtsgeschichte. Aus der Feder von Lukas. Drei besonders schöne Stücke, die uns in das neue Jahr schicken. Oder begleiten? Dass wir nicht alleine unterwegs sind, ist ein Geschenk. Alleine deswegen dürfen wir feiern und uns freuen. Dass aber Gott unsere Wege mitgeht, kommt einem Wunder gleich. Was wir von ihm zu sehen bekommen? Als erstes – ein leuchtendes Angesicht.

GESEGNET

In der ersten Lesung wurde der aaronitische Segen vorgetragen. Er ist Zusage und Verheißung in einem. Für uns formuliert, über uns ausgesprochen: Der Herr segne dich, er behüte dich! Es ist, als ob er uns in den Arm nimmt. Ein leuchtendes Angesicht schaut uns an. Gott wendet sich uns zu. Freundlich, nah, zärtlich. Wir bitten, wir erwarten seinen Segen. Er schenkt uns seinen Frieden. Das ist nicht nur ein Wunsch. Wird der Segen ausgesprochen, erfüllt er sich Wort für Wort.

Israel war in der Wüste. Unterwegs. Das so sehr erhoffte gelobte Land schien sich immer weiter zu entfernen. Der Horizont war leer. Leere, soweit die Augen schauen konnten. Die Menschen konnten nichts mehr glauben. Eigentlich gingen sie sich selbst nur noch auf die Nerven. Jeden Tag die alten Geschichten! Immer dasselbe! Immer dieselben Gesichter! Ohne Erfolgserlebnis, ohne Aussicht, dass alles gut wird, ohne Freundlichkeit wird das Leben zur Hölle. Und jeder Tag gleicht einem ausgelutschten Kaugummi.

In dem Wort Segen steckt die Freundlichkeit und Nähe Gottes. Er geht auch die härtesten und abgründigsten Wege mit. Das steckt in seinem Namen: Der, der mit uns geht. Er möchte, dass wir diesen Namen für einander haben und aufeinander legen. In der ersten Lesung haben wir – leider – nicht alles gehört, was damals erlebt und erzählt wurde. Es gibt dort die schöne Geschichte, dass Hände, wenn sie sich segnend über Menschen ausbreiten, Lebensläufe heilen, Teufelskreisläufe aushebeln und verlorenes Terrain wieder zurückerobern. Der Segen braucht – Hände. Keine Waffen. Keine Gewalt. Ich schaue in meine Hand. Wie schön, wie kunstvoll sie ist? Sie kann empfangen, sie kann schöpfen. Sie kann geben, sie kann halten. Sie kann streicheln, sie kann Einhalt gebieten.
„Der HERR wende sein Angesicht dir zu und schenke dir Frieden.“

ABBA, VATER

Die zweite Lesung haben Sie noch im Kopf? Paulus schreibt in einem Brief an die kleinen christlichen Gemeinden in Galatien, dass wir Gott Vater nennen. Abba! Abba könnten wir mit Pappilein übersetzen, also sehr einfach und schlicht wie ein Kind mit ihm reden, ihn anrufen. Deutlicher und schöner kann Nähe nicht sein. Mütter und Väter freuen sich, wenn die Kleinen Mammilein oder Pappilein sagen. Kosenamen sind das. Und Opas und Omas schmelzen dahin, wenn sie Omilein oder Opilein genannt werden. Keine Distanz, nichts Befremdliches, unbefangen durch und durch. Paulus spielt das durch. Wären wir nicht eher Sklaven? Abhängig? Unfrei? Mit dem eigenen (Katzen)Tisch? Und nicht standesgemäß? Abgeschlagen für immer? Aber als es Zeit war, hat Gott die Rollen getauscht. Sein Sohn wurde von Maria geboren – Paulus: von einer Frau – und unter das Gesetz getan, klein, erniedrigt, um – man höre und staune – die, die unter dem Gesetz sind, uns, freizukaufen und zu Söhnen zu machen. Entschuldigung. Paulus hat, wie das damals üblich war, die Töchter übersehen. Gott hat uns in seine Familie geholt, heißt das. Und erbberechtigt! Bei ihm gibt es keine Sklaven mehr, aber auch nicht einfach „Freie“ – Söhne und Töchter sind wir!

In einem Weihnachtslied heißt es:
Er äußert sich all seiner G’walt, wird niedrig und gering
Und nimmt an eines Knechts Gestalt, der Schöpfer aller Ding, der Schöpfer aller Ding…
Er wird ein Knecht und ich ein Herr; das mag ein Wechsel sein!
Wie könnt es doch sein freundlicher, das herze Jesulein, das herze Jesulein!
(Nikolaus Herman 1560)

BEWAHRTE WORTE

Das Empfinden, dass es jetzt wieder ein wenig weihnachtlich wird, trügt nicht. Schließlich ist das Evangelium, das wir vorhin gehört haben, der Schlussteil des Weihnachtsevangeliums. Die Hirten finden Maria und Josef und das Kind. Und: sie erzählen, was sie gehört und gesehen haben. Sie erzählen die Weihnachtsgeschichte! Meistens wird das überhört. Oder einfach übersehen. Wir wüssten nichts von Weihnachten, wenn die Hirten nicht so viel zu sagen gehabt hätten. Dass die Engel bei ihnen waren – wer hätte das jemals denken können? Dabei waren die Hirten nicht nur wortkarg – auf ihr Wort legte niemand Gewicht. Niemand wollte sie hören. Als Zeugen durften sie nicht einmal vor Gericht aussagen. Fahrendes Volk! Und ein wenig unheimlich. Kamen sie in ein Dorf, machten die Leute ihre Türen zu. Vorurteile über Vorurteile! Und ganz viel Tratsch. Wohl nicht von ungefähr sollten sie, nur sie, Weihnachtsbotschafter werden. Mit der höchsten Akkreditierung! Mit Gottes Segen! Und gar nicht beiläufig, aber in einem Nebensatz behutsam untergebracht, heißt es doch tatsächlich: „Und alle, die es hörten, staunten über das, was ihnen von den Hirten erzählt wurde.“ Jetzt erst wird Weihnachten! Für alle! Für alle, die hören und staunen! Ein größeres Geschenk als „Staunen“ kann es nicht geben.

„Maria aber bewahrte alle diese Worte und erwog sie in ihrem Herzen.
Die Hirten kehrten zurück, rühmten Gott
und priesen ihn für alles, was sie gehört und gesehen hatten,
so wie es ihnen gesagt worden war.“

So gehen wir gesegnet in das neue Jahr. Als Söhne und Töchter Gottes. Mit seinem Wort im Herzen. Wie Maria. Voller Staunen preisen wir ihn für alles, was wir gehört und gesehen haben. So, wie er es uns versprochen hat!

Seneschall Matthias David