(Predigtgedanken zum Fest Christi Himmelfahrt Lk 24:46-53, Apg 1:1-11, Offb 22:12-14,16-17,20)
ABSCHIED
Die biblischen Berichte von der Himmelfahrt Jesu sind bei den einzelnen Evangelisten in ihrem äußeren Ablauf unterschiedlich beschrieben. Dies zeigt uns, dass es wohl keinem der Berichterstatter ein Anliegen war, uns den äußeren Ablauf des Geschehens genau zu schildern. Vielmehr wollten uns die Evangelisten das Anliegen Jesu weiter geben und ans Herz legen, das der Herr gleichsam wie ein Testament den Seinen in die Hände legte, bevor er diese Erde verließ.
Denn bei aller Unterschiedlichkeit der äußeren Darstellung stimmen die Berichte inhaltlich in Folgendem überein:
* Jesus zeigt sich den Jüngern als Auferstandener, als Lebendiger, damit die Jünger sich mit eigenen Augen von der Wahrheit der Auferstehung des Herrn
überzeugen können.
* Die Freunde und Anhänger Jesu erhalten den klaren und entschiedenen Auftrag, Zeugen für Christus und seine Botschaft zu sein.
* Dabei sollen sie wissen, dass der Auferstandene hinter ihrem Wirken stehen wird und ihnen durch den hl. Geist die nötige Kraft verleiht.
* Die Botschaft Jesu soll zu allen Völkern getragen werden bis ans Ende der Welt. Denn alle sollen die Chance erhalten, umzukehren, sich Vergebung
schenken zu lassen und Mitglied der christlichen Gemeinschaft zu werden.
Lukas, der uns das heutige Evangelium überliefert hat, wirkt als Seelsorger in einer Gemeinde, der viele Judenchristen angehören. Um sie in ihrem Glauben zu stärken, berichtet er nicht nur, dass die Jünger den Herrn als Lebendigen sehen und anfassen konnten, sondern dass außerdem alles Geschehene ganz nach dem Plane Gottes verlaufen ist, wie es schon in der Hl. Schrift vorausgesagt wurde. Mit dem Hinweis auf die Schrift, in der es heißt, dass der Messias leiden, sterben und am dritten Tage auferstehen werde, will Lukas den Gläubigen zeigen, dass Jesu Leiden und Sterben nicht im Widerspruch zu seiner Messianität steht. Sein Tod ist nicht ein Unglücksfall, der dem Messias nicht hätte passieren dürfen. Ganz im Gegenteil! Alles ist so eingetroffen, wie es längst voraus gesagt wurde.
Der Heilsplan Gottes
Und noch einen Punkt hebt Lukas hervor. Er berichtet, dass Jesus den Jüngern aufträgt, bis zur Geistsendung in Jerusalem zu bleiben. Von dort sollen sie dann aufbrechen in alle Welt. Lukas ist es wichtig zu betonen: Das Heilswirken der Christen nimmt in Jerusalem seinen Anfang. Mit diesem Hinweis stellt der Evangelist die Christianisierung der Welt in den großen geschichtlichen Heilsplan Gottes.
Alles begann mit Abraham, der auf Gott hörend seine Heimat verließ. Nach vielen Jahren der Wanderschaft mit Krisen und neuer Bewährung zieht das Volk Gottes am Ende in das Land der Verheißung ein. Angekommen in der neuen Heimat wird das hl. Zelt des wandernden Gottesvolkes durch den Tempel in Jerusalem ersetzt. Damit ist eine erste heilsgeschichtliche Etappe – die mit dem auserwählten Volk – abgeschlossen.
Mit Jesu Leben und Wirken beginnt ein neuer Abschnitt in der Heilsgeschichte. Diese Epoche ist kurz, weitet aber den Blick dafür, dass Gottes Heil allen Menschen bestimmt ist – nicht nur dem auserwählten Volk. Sie endet mit Tod und Auferstehung Jesu – ebenfalls in Jerusalem.
Die dritte Phase der Heilsgeschichte, die Missionierung der ganzen Welt, soll nun von Jerusalem aus ihren Anfang nehmen. Sie wird einmal enden in der Hinführung aller Völker in das himmlische Jerusalem der Ewigkeit, wie es bildhaft im Buch der Offenbarung des Johannes geschildert wird.
Lukas liegt offensichtlich viel daran, den Gläubigen damals und uns diesen Einblick in das gesamte Heilsgeschehen zu eröffnen und vor Augen zu führen. Es soll uns helfen zu verstehen, dass wir mit unserem christlichen Glauben in den großen Heilsplan Gottes eingebunden sind. Dieses Wissen soll uns locken und animieren, nicht untätig neben dem Plan Gottes her zu leben, sondern mit anzupacken, damit Gottes Plan Wirklichkeit wird. Wir sollen Geschmack und Freude an unserem Wirken aus dem Glauben bekommen, wissend dass wir einem großen und heiligen Ziel dienen. Unser Bemühen wird zuweilen Opfer kosten – wie bei Jesus. Aber das soll uns weder schrecken noch abhalten, mutig unseren Weg zu gehen. Denn wir werden getragen durch die Kraft des hl. Geistes, der uns von oben verliehen wird.
FREUDIGER AUFBRUCH
Die Apostel und Jünger damals, so betont Lukas, kehren nicht traurig zurück, weil Jesus nun von ihnen gegangen ist, sondern große Freude erfasst sie, so dass sie Gott immer wieder im Tempel preisen. Sie haben begriffen, zu welch wunderbarer Aufgabe sie berufen und gesandt sind. Obwohl sie wahrscheinlich ahnen, dass ihr Weg von Mühe, Rückschlägen und Leid begleitet sein wird, preisen sie Gott, für den sie leben, wirken und arbeiten dürfen.
Lukas berichtet als einziger der Evangelisten, dass Jesus die Jünger segnet, bevor er vor ihren Augen emporgehoben wird. Bei diesem Hinweis sollten wir noch etwas verweilen. Denn dieser Gestus oder Ritus ist in unsere Liturgie und in das Leben der Christen eingegangen. Christen aller Schattierungen haben dieses Zeichen Jesu übernommen. Jede Sendung und Beauftragung verbinden sie mit einem Segen.
* Wenn Missionare ins Ausland aufbrechen, werden sie mit einem Segen verabschiedet.
* Nach der Taufe wird der Täufling mit dem Segen Gottes auf seinen neuen Lebensweg geschickt.
* Im Gottesdienst werden wir vor der Entlassung gesegnet, bevor wir wieder in die Welt hinaus treten, in das Feld der Bewährung und des gelebten
Zeugnisses für Christus.
* Es gibt auch heute noch den Brauch, dass christliche Eltern ihre Kinder vor oder nach der Heirat oder der Berufung in einen geistlichen Stand segnen. Aufbrechend in einen neuen Lebensabschnitt mit großer Verantwortung wollen diese Eltern ihren Kindern das wichtigste Geschenk,
das sie ihnen überreichen können, mit auf den Weg geben: den Segen Gottes.
Sendung und Aufbruch mit Segnung zu verbinden, hat seine Wurzel im Segnen der Jünger durch Jesus. Das Segnen der Menschen ist nicht nur ein Erinnerungszeichen. Es ist die Einbindung in die Gnade Gottes und in den Auftrag Jesu, mit der ganzen Person und in allem Tun und Lassen Zeuge für Christus und seinen Lebensstil zu sein.
Möge das heutige Fest, Christi Himmelfahrt, uns neu Kraft geben für ein entschiedenes christliches Leben. Mögen auch wir – wie die Jünger damals – Freude daran finden, am Heilsplan Gottes und Jesu mitarbeiten zu dürfen durch ein ganz auf Christus bezogenes Leben und Handeln aus dem Glauben an den Auferstandenen. Amen.
Seneschall Matthias David