GOTT BEGEGNEN IM ANDEREN

Was würden Sie sagen, wenn Ihnen der Tankwart eines Tages offenbart: „Ach übrigens, ich bin das Licht der Welt“? Wenn die Kassiererin im Supermarkt ihnen nicht wie gewohnt „Bis bald!“ hinterher schmettert, sondern sie fragt „Glauben sie, dass ich die Gute Hirtin bin?“, oder ihr Nachbar nach drei Wochen Sommerurlaub plötzlich behauptet: „Ich bin die Auferstehung und das Leben“.
Irritation und Unbehagen wären wohl die Antwort, vielleicht sogar Ablehnung. Mit Sicherheit jedoch nicht die Überzeugung, dass ihr Nachbar doch eigentlich schon immer zu etwas Höherem bestimmt war.

Laut dem Evangelisten Markus soll es sich aber ungefähr so zugetragen haben. Jesus, ein Zimmermann aus Nazareth lebt gut dreißig Jahre mehr oder weniger unauffällig unter Seinesgleichen. Dann zieht er hinunter an den Jordan um sich taufen zu lassen – und seitdem erkennen sie ihn nicht wieder. „Ist das nicht der Zimmermann, der Sohn der Maria und der Bruder von Jakobus, Josef, Judas und Simon? Leben nicht seine Schwestern hier unter uns?“ Wieso redet er plötzlich so? Was ist das für eine Weisheit die ihm gegeben ist – und was für Wunder tut er da? Er wird ihnen plötzlich unheimlich und fremd – sie nehmen Anstoß an ihm, ja vielleicht fürchten sie sich sogar.

In den Lesungen der letzten Wochen konnten wir hören, wie die Menschen überall zusammenströmten um Jesus zu hören und zu sehen. Menschen aus ganz Galiläa und später sogar von noch weiter her. Sie sind begeistert von diesem Menschen, der mit Vollmacht lehrt. Und in der Heimatstadt Jesu ist man entsetzt. Wie immer der kommende Messias auch aussehen mag, das ist er nicht. Das ist Joschua der Zimmermann von Nebenan, einer von uns, ein ganz gewöhnlicher Kerl. Nett, schlau und fleißig? Bestimmt! Aber eines ist er gewiss nicht, der Sohn Gottes – So kann er nicht aussehen! So kann Gottes Heil nicht auf die Welt herabkommen! So nicht, und auch nicht an der Kasse vom Aldi und auch nicht an der Aral-Tankstelle von Nebenan und auch nicht im netten Herrn von gegenüber, der jeden Samstag um 11 seinen Rasen mäht.

…ABER WENN NICHT SO, WIE DANN?

Im Ersten Testament finden wir immer wieder Stellen, in denen von Gottesbegegnungen die Rede ist. Der brennende Dornbusch zum Beispiel, ist nicht die einzige aber doch die bekannteste.
Auch, als Mose Gott bittet, ihn doch seine ganze Herrlichkeit schauen zu lassen, hält Gott seine Hand über ihn und zieht an ihm vorüber um ihm dann einen Blick auf seinen Rücken zu gewähren. Als der Prophet Elia völlig ausgelaugt zum Berg Horeb zieht, da begegnet ihm Gott im Säuseln des Windes.

In der heutigen Lesung, wird uns von einer Gottesbegegnung des Propheten Ezechiel berichtet. Machen Sie sich gleich zuhause einmal die Freude und lesen Sie im Buch Ezechiel einmal die vorangehenden Verse. Dann nehmen Sie einen Stift zur Hand und zeichnen das Gottesbild, das Ezechiel uns beschreibt. Sie werden stauen, was Sie alles malen müssen, und dabei sind die vier Engel noch das Harmloseste. Bei den vier ineinander laufenden Rädern mit Augen wird es schon schwieriger – und ich bin gespannt darauf, wie Sie die „furchtbar anzusehende Platte“ zeichnen werden, von der der Prophet uns berichtet.

Das sind wirklich Gottesbilder, die so gar nichts mehr mit dem netten Zimmermann von Nebenan zu tun haben? Aber bringen diese fremden Bilder uns Gott deswegen näher? Macht das Unbeschreibbare uns den Zugang zu Gott leichter? Nein, so bestimmt nicht – aber ich habe Ihnen ja auch etwas vorenthalten.

GOTTESBILDER DES ERSTEN BUNDES

Bei all diesen Gottesbegegnungen gibt es immer noch eine zweite Hälfte. Als Mose am Berg Horeb vor dem brennenden Dornbusch steht, da offenbart Gott ihm, dass er herabgestiegen ist, weil er Mitleid mit seinem Volk hat. Und als er Gott in seiner ganzen Herrlichkeit schauen möchte, so ist dies unmöglich, aber Gott gewährt ihm etwas Anderes – er lässt ihn seine ganze Güte schauen, so heißt es im Buch Exodus.
Der Prophet Elia erwartet von Gott, das er sich in seiner ganzen Macht zeige, mit zerstörerischer Gewalt soll er gegen das gottlose und abtrünnige Volk vorgehen – und was bekommt er? Gott zeigt sich im leichten Säuseln des Windes.
Und Ezechiel beschreibt Unglaubliches vor dem er sich mit dem Gesicht in den Staub wirft. Aber Gott spricht: „Stell dich auf deine Füße, Menschensohn; ich will mit dir reden“. Immer wenn Gott im Alten Testament ganz nah zu den Menschen kommt, dann tut er das meist in ganz fremden Bildern, wie z.B. in der Säule aus Wolken und Feuer, mit Blitzen und Donner. Aber doch ist er Menschen dann ganz nah, zeigt Mitleid und Güte oder wie im Fall der Feuer- und Wolkensäule Anteilnahme durch das Geschenk der Zehn Gebote an die Menschen.

GOTTESBILDER DES NEUEN BUNDES

Und im Neuen Testament, wie begegnet Gott den Menschen dort?
Er begegnet ihnen im Vater, der sich um seinen verlorenen Sohn sorgt. Er begegnet ihnen in Jesus, der Kranke heilt und sich mit Sündern einlässt. Er begegnet ihnen im den Hungrigen und Dürstenden, in den Nackten, Fremden, in den Gefangenen und Obdachlosen. Gott begegnet ihnen – Gott begegnet uns im Anderen.

Denn was wir den geringsten unter unseren Brüdern getan haben, das haben wir ihm getan. Wo Menschen sich aufeinander einlassen, wo sie einander in Interesse, Neugierde und auch Liebe begegnen, da begegnet ihnen Gott. Wo sie jedoch glauben, alles voneinander zu wissen, und sich verschließen, wo jeder gefälligst das zu tun hat, was er schon immer getan hat, da fällt es sogar Gott schwer, noch zu wirken. Oder um mit den Worten des heutigen Evangeliums zu sprechen, dort kann auch Jesus keine Wunder mehr tun, sondern sich selber nur noch wundern.

Ordensgeistlicher Matthias David