(Predigtgedanken zur 2. Lesung am 15. So. im Jahreskreis/7. So. nach Trinitatis Röm 8,18-23)
DIE LEIDEN UNSERER ZEIT
Ich denke, wir alle fühlen uns angesprochen, wenn der Apostel Paulus in der Lesung von den Leiden der gegenwärtigen Zeit spricht. Jeder Mensch wird irgendwie von diesen Leiden heimgesucht und jeder Mensch erfährt sie anders und ganz persönlich.
Die Leiden unserer Zeit haben vielerlei Gesichter. Sie zeigen sich in Krieg und Terror und das Brutalste sind dabei die unschuldigen Opfer. Die Leiden unserer Zeit zeigen sich in wirtschaftlichen und finanziellen Ungerechtigkeiten, die dazu führen, dass Millionen von Menschen das Nötigste zum Leben fehlt, während Andere im Überfluss prassen. Solches und manch anderes Leid ist verursacht, weil Menschen ihre Freiheit, ihre Verantwortung und vor allem ihre Macht missbrauchen.
Es gibt aber auch eine Unmenge von Leid, wofür der Mensch nichts kann. Was kann ein Mensch dafür, dass er irgendwo in verdreckten Slums aufwachsen muss ohne das, was wir die primitivsten Lebensgrundlagen nennen und ohne Chance auf Bildung und Vorwärtskommen? Was kann ein Mensch dafür, wenn er von heute auf morgen von einer unheilbaren Krankheit befallen wird und wo dann die einzige Perspektive nur noch lautet: wie kann das Dahinsiechen und Sterben einigermaßen bewältigt werden?
Es gibt Abgründe von Leid wo man nur verstummen oder verzweifeln kann und wo Menschen dann fragen: wo soll da ein guter Gott sei? Die Leiden der gegenwärtigen und jeder Zeit gehören jedenfalls zu den stärksten Argumenten, um Gott in Frage zu stellen und abzulehnen.
DER ERBARMUNGSLOSE KAMPF UMS ÜBERLEBEN
Es ist auch gar nicht leicht, angesichts der Abgründe von Leid darüber zu reden. Tönt es nicht befremdend, wenn der Apostel Paulus schreibt: „ich bin überzeugt, dass die Leiden dieser Zeit nichts bedeuten im Vergleich zur Herrlichkeit, die an uns offenbar werden soll“? Es ist auch für mich nicht leicht, jetzt dazu etwas Zutreffendes zu sagen. Und doch muss etwas gesagt werden, wenn der Glaube bedeutsam sein soll für unser Leben. Ich will versuchen, nur einen Punkt etwas klar zu stellen. Aber es ist ein entscheidender Punkt.
Angenommen, es gibt keinen Gott: wie ist es dann mit dem Leid und jeder Art von Bösem? Warum soll dann nicht der, der stärker ist als der Andere seine Macht und seine Gier ausleben auch auf Kosten der Schwächeren? Wenn es keinen Gott gibt ist das Leben einfach eine brutale Geschichte vom Kampf ums Überleben und zum Brutalsten gehört dann der Tod mit dem dann alles aus ist. Und wer vom Leid einer unheilbaren Krankheit oder sonst einem Unglück getroffen wird, der hat einfach Pech gehabt. Die Natur kennt kein Erbarmen und geht gefühllos über das Schicksal der einzelnen Menschen hinweg. Wenn es keinen Gott gibt, dann ist auch so ein Satz des Apostels Paulus über die Leiden dieser Zeit letztlich sinnlos.
EIN GUTER GOTT UND LEID?
Wenn es Gott aber gibt und wenn das ein guter Gott sein soll, dann steht sofort die Frage im Raum: wie geht das zusammen, Gott und das Leid? Darüber ist viel nachgedacht, viel geschrieben und gestritten worden. Eine umfassend befriedigende Antwort gibt es nicht. Dieses „warum“ wird das Leben jedes Menschen und gerade jedes gläubigen Menschen begleiten. Wenn es aber Gott gibt, dann steht dieses „warum“ doch in einem ganz anderen, in einem neuen und verheißungsvollen Licht. Der Apostel Paulus bringt das zum Ausdruck mit dem Wort „Hoffnung“.
WENN ES GOTT GIBT, DÜRFEN WIR HOFFEN
Wenn es Gott gibt, dürfen wir hoffen, dass über der Welt und dem Leben der Menschen nicht ein blindes Schicksal waltet. Wenn es Gott gibt dürfen wir trotz allen Leides und durch alles Leid hindurch hoffen, dass die Mechanismen dieser Welt nicht das Letzte sein werden, sondern dass allem Anschein zum Trotz Gott alles zum Guten führen wird. Und so etwas kann allein Gott. Nur Gott kann uns Menschen zusagen, dass das Leben mehr ist als ein blinder Mechanismus von fressen und gefressen werden. Nur Gott kann uns verbürgen, dass nicht der Tod das letzte Wort hat, sondern eben Gott selber und das schenkt uns nach den Worten aus der heutigen Lesung die Hoffnung, dass wir „zusammen mit der ganzen Schöpfung aus jeder Verlorenheit befreit werden zur Herrlichkeit der Kinder Gottes“.
DENNOCH FRUCHT IM ÜBERMASS
Diese Hoffnung ist begründet in dem was Gott uns selber in Jesus, in seinem Leben, seinem Sterben und seiner Auferstehung gezeigt hat. Jesus macht das heute bildhaft anschaulich im Gleichnis aus dem Evangelium. Obwohl vieles im Leben auf felsigen Boden fällt oder von Dornen erstickt wird und obwohl das immer wieder geschieht, fällt doch ein Teil auf guten Boden und bringt Frucht im Übermaß, sagt das Evangelium. Diese Frucht im Übermaß ist das, worauf alles hinzielt und um dieser Frucht willen lohnt sich der ganze Einsatz und Aufwand des Lebens.
In dieser Perspektive ist der Satz des Apostels Paulus eine unerhört hoffnungsvolle Zusage an uns Menschen. Die Leiden unserer Zeit mögen noch so groß sein – durch alles hindurch wächst auch heute die Saat unseres Lebens einer Herrlichkeit entgegen, neben der die Leiden dieser Zeit verblassen werden.
Seneschall Matthias David