(Predigtgedanken z. 29. So. im Jahreskr. / 20. So. nach Trinitatis, Mt. 22:15 – 21)
STEUERBESCHEID
Das Thema Steuern kann tatsächlich in Wallung versetzen. Zu viel, zu hoch – schreien die einen. Falsch berechnet, ungerecht verteilt – die anderen. Kalt lässt uns das Thema (auch) nicht. Schließlich sind wir Steuerzahler (wenn wir vielleicht auch, gelegentlich – oder auch immer wieder – Schlupflöcher suchen – ganz legal, natürlich). – Klar, wir können jetzt über vieles klagen, vieles müssen wir auch kritisieren, aber heute lädt uns das Evangelium ein, „Ja“ zu sagen zu Steuern. Ein Gemeinwesen braucht Geld. Und manchmal brauchen auch Menschen Geld aus einer öffentlichen Kasse, ohne Bettler zu sein oder zu Bettlern gemacht zu werden. Eigentlich bin ich den klugen Fragern im Evangelium dankbar: Sie wollen Jesus zwar in eine Falle locken, erhalten aber von ihm einen – Steuerbescheid.
ZWEI SEITEN EINER MÜNZE
Auf der Münze, die Jesus gereicht wird, ist der Kopf des Kaisers abgebildet. Mit dem Lorbeer, der Krone auf dem Kopf. Sein Bildnis drückt einen Machtanspruch aus. Haben Sie schon einmal eine Münze aus römischer Zeit gesehen? Aus dem Mittelalter? Münzen sind wertvoll – und werthaltig.
Selbst die Pharisäer, die hier vorgeführt werden, wissen mit diesen Münzen umzugehen. Die Münzen sind Zahlungsmittel und Statussymbol, sie zeigen Reichtum, sie stehen für Einfluss. So verhasst der römische Kaiser auch in Israel war, seine Münzen musste man haben, besitzen, in Umlauf geben. Sie waren begehrt – und begehrenswert. Gerade mit dem Kopf des Kaisers.
So dumm ist die Frage aber nicht: „Ist es nach deiner Meinung erlaubt, dem Kaiser Steuern zu zahlen, oder nicht?“ In den Augen der Frommen ist das sozusagen schmutziges Geld. Für eine schmutzige Politik – eines gottlosen Kaisers. Sie wollen auch die römische Besatzung ihres Landes nicht finanziell mittragen – schon gar nicht vereinnahmt werden. Aber lassen sich Münzen in einen sauberen und einen dreckigen Teil auseinandernehmen? Jesus lässt sich die Münze mit diesen zwei Seiten zeigen. Jesus fragt: Wessen Bild und Aufschrift ist das?
Die Szene ist brisant: Der Kaiser wird so manches mit diesem Geld finanzieren, was einem frommen Menschen – bis heute – schmerzt und gelegentlich auch entsetzt. Der Kaiser zahlt – zum Beispiel – den Sold der Soldaten, die tatsächlich um das Jahr 70 einen jüdischen Aufstand blutig niederschlagen, den Tempel in Jerusalem zerstören und die Heiligtümer in einem Triumphzug wegführen. Bis heute erinnert die Klagemauer in Jerusalem daran … und Matthäus, der Evangelist, weiß das schon.
Hätte Jesus nicht doch besser daran getan, dieser Steuer unter dem Kopf des Kaisers eine Abfuhr zu erteilen? Das wäre doch edel und rein gewesen…
DEM KAISER GEBEN, WAS DES KAISER IST
Die Antwort Jesu, dem Kaiser zu geben, was des Kaisers ist, rückt auch die Steuerpolitik in ein neues Licht. Wir Menschen brauchen für das Zusammenleben ein geordnetes Gemeinwesen. Wir brauchen auch so etwas wie eine öffentliche Solidarität, eine öffentliche Verantwortung; für einander. In der kleinen Kommune wie auch in dem Land, das uns Lebensraum und Heimat gibt. Darum werden jährlich Haushalte beschlossen und öffentlich gemacht. Verschwendung wird gerügt und öffentlich gemacht. Zukunftsaufgaben werden eingebracht und öffentlich gemacht.
Steuern sind ein großes, lebendiges Thema und uns sozusagen von Jesus anvertraut. Dem Kaiser geben, was des Kaisers ist, heißt: Gemeinsam einen Lebensraum zu gestalten, in dem Schwache und Starke, Arme und Reiche miteinander leben. Jesus nimmt uns die Frage nicht ab, was gerechte Steuern sind, im Evangelium finden wir genau diese Aufgabe. Sie hat mit Leben und mit Geld zu tun. Eine kleine Überraschung ist das schon: Steuern gehören ins Evangelium.
GOTT GEBEN, WAS GOTT GEHÖRT
Steuerliche Themen haben eine große Bedeutung. Steuern steuern auch. Die einen müssen entlastet, die anderen stärker belastet werden. Aber die Grenzen sind nicht klar, oft sind sie sogar willkürlich. Viele Fragen scheinen nicht lösbar zu sein, auch nicht die Fragen nach dem subjektiven Rechtsempfinden. Was gerecht ist und was nicht, wer vermag das zu sagen? Wer vermag für sich zu gewichten?
Jesus rettet nicht nur dem Kaiser den Kopf – Jesus möchte, dass Gott erhält, was ihm zusteht. Er hat das letzte Wort. Jetzt bekommen wir als Christen die gar nicht so leichte Aufgabe, auch in der Steuerpolitik Partei zu ergreifen für die Schwachen und Armen. Sie brauchen nicht nur unser Mitleid. Sie haben ein Recht, ein von Gott garantiertes Recht! Gesetzgebung und Rechtsprechung dürfen der Ungerechtigkeit nicht Vorschub leisten, sie auch nicht rechtfertigen. Weltweit können große Unternehmen, ohne Steuern zu zahlen, auf dem Rücken einfacher und kleiner Menschen ihre Gewinne machen und den Aktionären satte Dividenden auszahlen, die bei guter Beratung (für gutes Geld) steuerlich optimiert werden. Die Kluft zwischen arm und reich wird weltweit immer größer. Gleichzeitig wächst das Vermögen in den Händen weniger.
Ist das – am Ende – wirklich nur eine Fangfrage, eine Falle? „Ist es nach deiner Meinung erlaubt, dem Kaiser Steuer zu zahlen, oder nicht?“ – Es ist gut, dass diese Frage im Raum steht! Was als Fangfrage eingeführt wurde, darf Jahrhunderte später unter uns Unruhe stiften und die Fragen nach Gerechtigkeit und Wahrheit schärfen, wach halten, herausfordern.
GOTT SCHENKT DEN MENSCHEN EINEN LEBENSRAUM
Haben Sie noch die Lesung aus dem Buch des Propheten Jesaja im Ohr? In einer äußerst schwierigen Situation hören wir den Propheten sagen: „Um meines Knechtes Jakob willen, um Israels, meines Erwählten, willen habe ich dich bei deinem Namen gerufen; ich habe dir einen Ehrennamen gegeben, ohne dass du mich kanntest. Ich bin der Herr, und sonst niemand; außer mir gibt es keinen Gott.“
Es ist eine Liebeserklärung Gottes. Sie überdauert Katastrophen. So exklusiv spricht Gott von sich: Er schenkt Menschen einen Lebensraum, in dem noch – oder wieder – Hoffnung angezeigt ist. Es ist von einem Ehrennamen die Rede – für Menschen, die am Ende sind, aber gerade wieder neu anfangen sollen.
Ob das auch etwas mit der steuerlichen Frage zu tun hat, die uns heute aus dem Evangelium zuwächst?
Seneschall Matthias David