KRAFT AUS DER TIEFE

(zum 12. Sonntag im Jahreskreis – Mk 4:35-41)

Ist Ihnen schon aufgefallen, dass viele unserer Gespräche auf der Small-Talk-Ebene angesiedelt sind? Egal, ob sie nun interessant und unterhaltsam sind oder langweilig, sie erreichen keinen wirklichen Tiefgang, bleiben oberflächlich und vermögen unser Innerstes nicht zu berühren.

Vor einigen Tagen erzählte mir eine junge Frau, dass ihr bisheriger Lebensweg mehr durch dunkle und gefährliche Schluchten führte als auf angenehm zu gehenden Straßen. Trotz all des Negativen in ihrem Leben machte sie einen fröhlichen und zufriedenen Eindruck, was durch ihre Aussage, ein positiv denkender und vertrauender Mensch zu sei, bestätigt wurde. Bei diesem Gespräch hatte ich nicht das Gefühl einen Small Talk zu führen. Es hatte Tiefgang, brachte mich zum Nachdenken und berührte meine Seele.

Wie ist möglich, dass Menschen trotz all des Schrecklichen, das ihnen widerfahren ist, nicht resignieren und aufgeben? Was gibt ihnen die Kraft, ihren Lebensweg trotzdem in einer guten Weise fortzusetzen? Würde ich selbst die Kraft haben, es ihnen gleich zu tun? Welch zerstörerische Kraft können schwere Schicksalsschläge und Angst machende Ereignisse entfalten?

HEKTIK STATT GELASSENHEIT

Das heutige Evangelium schildert in dramatischen Bildern eine solche Angst machende Situation. Die Jünger Jesu sind gerade mit ihrem Boot ins Meer gestochen, um ans andere Ufer fahren. Plötzlich erhebt sich ein gewaltiger Wirbelsturm und droht das Boot zum Kentern zu bringen. Wasser dringt ein. Obwohl sich die Jünger, von Beruf Fischer, in ihrem Element befinden, bekommen sie es mit der Angst zu tun. Sie fürchten zu ertrinken und sind deshalb in heller Aufregung. Wahrscheinlich ahnen sie, dass sie, wenn kein Wunder geschieht, verloren sind. Diese allgemein um sich greifende Aufregung vermag einen Passagier jedoch nicht zu erfassen. Jesus hat sich gleich zu Fahrtbeginn schlafen gelegt und bekommt vom Sturm und den Angstausbrüchen der Jünger nichts mit. Er scheint einen gesunden Schlaf zu haben. In ihrer Verzweiflung und wohl auch, weil sie von Jesus Hilfe erwarten, wecken ihn die Jünger auf. Souverän droht Jesus dem Sturm, worauf er sich legt und völlige Stille eintritt. Die Todesgefahr ist vorüber!

Die Kirche als Gemeinschaft der Gläubigen wird gerne mit einem Schiff verglichen. Den Insassen des Kirchenschiffes ergeht so ähnlich wie den Jüngern in ihrem Boot. Nicht immer ist die Fahrt angenehm und mit Sonnenschein versehen. Ab und zu gerät dieses Schiff in eine Schlechtwetterfront und wird ähnlich dem Boot der Jünger von den aufgepeitschten Wellen hin und her gerissen, dass manche der Insassen Angst bekommen und meinen untergehen zu müssen. Die Angst erzeugt Hektik und Panik, keiner scheint mehr angemessen auf die Situation reagieren zu können. Alles läuft aus den Rudern. Das etwas vorwurfsvoll ausgestoßene Notsignal ähnelt dem Notsignal der Jünger: Gott, kümmert es dich nicht, dass deine Kirche zugrunde geht? Warum greifst du nicht ein? Tu doch endlich etwas, du siehst ja, wie schlecht es der Kirche geht! – Wie lautet die Antwort Jesu auf den Notruf seiner Jünger: „Warum habt ihr solche Angst? Habt ihr noch keinen Glauben?“

GELASSENHEIT AUS VERTRAUEN AUF GOTT

Was für die Jünger Geltung hat, hat auch für uns, die wir ebenfalls Jesus nachfolgen, Geltung! Warum haben wir so wenig Glauben? Wir scheinen denselben Fehler wie die Jünger zu machen. Sobald Gefahr droht, verlieren wir den Kopf, verfallen in Panik und wissen nicht mehr ein noch aus. Ein Blick auf das Verhalten Jesu zeigt, dass er in einer angstmachenden Situation gelassen bleibt und sich nicht aus der Ruhe bringen lässt. Jesus vertraut Gott und dieses Vertrauen schenkt ihm die Gelassenheit, die ihm hilft, richtige Entscheidungen zu treffen und dementsprechend zu handeln. In der Ruhe liegt die Kraft und nicht in der Hektik. Diese Erfahrung durfte bestimmt schon jeder einmal machen!

Wir alle, die wir getauft sind und somit zur Mannschaft des Kirchenschiffes gehören, sollen uns Jesus zum Vorbild nehmen und im Vertrauen auf Gott gelassen und ruhig handeln. Dann werden wir merken, dass hektisch durchgeführte Aktionen nicht das bringen, was wir erhoffen. Solche Aktionen bleiben oberflächlich wie Gespräche auf der Small Talk-Ebene. Das ist traurig; denn sie tragen nicht dazu bei, Herz und Seele suchender Menschen zu erreichen.

Ordensgeistlicher Matthias David