(Predigtgedanken zum 4. Sonntag im Jahreskreis Mt 5:1–12, Zef 2:3–12, 1 Kor 1:26-31)
Die Seligpreisungen stehen quer zu unseren Alltagserfahrungen. In ihnen gibt uns Jesus – gleichsam als „Regierungserklärung“ beim Antritt seiner Sendung – Gegenbilder, die uns einerseits trösten, aber vor allem Halt geben.
GLÜCKWÜNSCHE
Aber Jesus – wie weltfremd bist du? Ich will Dir jetzt mal erzählen, wie es bei uns zugeht:
Glücklich ist, wer viel Geld hat, eine dicke Rente…
Glücklich ist, wer ein dickes Fell hat…
Glücklich ist, wer sein Gesicht nie verliert…
Glücklich ist, wer oben ist…
Glücklich ist, …
Herr, ich weiß nicht: So viele Menschen haben alles – und sind unglücklich.
Ich kann mich an einen Pfarrerfilm erinnern. Den Titel kenne ich nicht mehr, sehe aber den Schauspieler vor mir. Im Film hat er gleich mehrere Doktortitel, smart ist er auch, wenn gleich auch ein wenig glatt. Aalglatt. Der alte Pfarrer wird auch gezeigt. Ein wenig verhutzelt. Traurig. Mit leerer Kirche. Wir sehen alte Leute, ein Handvoll. Menschen von gestern. Sterbende Kirche. – Jetzt kommt der neue. Selbstbewusst. Die Kirche ist auf einmal voll. Die erste Predigt, die im Film inszeniert wird, sind die Seligpreisungen Jesu. Das muss man dem Regisseur dann lassen: Es sind alle Seligpreisungen, die im Film zu hören und zu sehen sind. Zu sehen sind Menschen, die gebannt den Worten lauschen. Langsam sucht sich die Kamera die Gesichter, die Minen, die Augen.
Selig sind die Armen, die Trauernden, die Gewaltlosen, die Hungrigen, die Barmherzigen… Eine große Sehnsucht spiegelt sind in den Gesichtern. Die Sehnsucht, dass die Welt doch anders sein soll.
Inzwischen geht die Angst um – vor Abstieg. Vor sozialem Abstieg. Eine ganze Schicht soll davon betroffen sein, hört man, liest man. Und geglaubt wird das von vielen Menschen, die den Druck weiterreichen. In ihren Familien, bei ihren Kindern. Mit bösem Blick nach oben, wo sich die Erfolgreichen festgefressen haben, nach unten, wo alle möglichen Kreaturen ihre Löffel in unsere Töpfe stecken. Denen, die nichts haben, aber die Schneid haben, zu uns zu kommen, eilt gar der Ruf voraus, sie wollten uns das christliche Abendland nehmen.
Entschuldigung, schweife ich ab? Wo waren wir stehengeblieben? Bei der Seligkeit eines Menschen. Bei der Seligkeit? Ein altes Wort, aber es birgt in sich, was unser Leben hält, was unser Leben reich macht, was uns glücklich – macht.
Heute hören wir Jesus. Er hat Glückwünsche für uns. Er wünscht uns Glück. Er schenkt uns Glück.
Glücklich bist du, wenn du nicht auf dich hereinfällst…
Glücklich bist du, wenn du lieben kannst…
Glücklich bist du, wenn du Frieden stiftest…
REGIERUNGSERKLÄRUNG JESU
Die – sogenannten – Seligpreisungen Jesu haben Menschen vor langer Zeit auch die Regierungserklärung Jesu genannt. Er beginnt damit seine öffentliche Wirksamkeit. Welche Vorstellungen hat er von seinem Dienst, von seinem Weg? In welche Richtung wird er gehen? Wohin nimmt er uns mit? Schließlich sind die Seligpreisungen nicht einsam und verlassen vorgetragen worden. Sie gelten erst einmal den Jüngern, und wir sitzen um sie herum, sie in unserer Mitte. Ich frage: Was ist das für ein Programm?
Ich könnte jetzt natürlich die Geschichten erzählen: schuldige Menschen werden freigesprochen, trauernde aufgerichtet, barmherzige glücklich gemacht. Sonntag für Sonntag gehen uns diese Geschichten auf. Vorgelesen, bedacht, ins Gebet genommen. Es sind Jesus-Geschichten. Evangelien. So fremd sie uns manchmal sein mögen – sie werden uns zu Verheißungen, zu Bildern der Welt Gottes.
GEGENBILDER
Es sind im besten Sinn des Wortes Gegenbilder. Gegenbilder zu den vertrauten, eingespielten und langweiligen Bildern, mit denen wir tagein tagaus leben.
Der Prophet Zefanja, einer der zwölf kleinen Propheten, lenkt unseren Blick auf ein demütiges und armes Volk, das – so heißt es – seine Zuflucht bei Gott sucht. Der „kleine“ Prophet verwandelt Erfahrungen:
Israel ist gedemütigt worden, lächerlich gemacht vor den Augen der ganzen Welt. Aber es geht nicht unter: es birgt sich bei Gott.
Israel ist armselig geworden, der Ruhm großer Geschichte ist dahin. Aber es geht nicht unter: es birgt sich bei Gott.
Es ist die Geborgenheit bei Gott, die neue Größe verleiht – und auch eine neue Hoffnung, ein neues Vertrauen, ein neues Selbstbewusstsein. Wir könnten auch frei von der Leber erzählen: Glücklich ist der Mensch, der einen Halt hat, der weiß, wohin er gehört.
Selig, die arm sind vor Gott; denn ihnen gehört das Himmelreich!
Selig die Trauernden, denn sie werden getröstet werden!
Selig, die keine Gewalt anwenden, denn sie werden das Land erben.
Und dann mischt sich auch Paulus noch ein:
„Seht auf eure Berufung, Brüder und Schwestern! Da sind nicht viele Weise im irdischen Sinn, nicht viele Mächtige, nicht viele Vornehme, sondern das Törichte in der Welt hat Gott erwählt, um die Weisen zuschanden zu machen, und das Schwache in der Welt hat Gott erwählt, um das Starke zuschanden zu machen.“
Es gehört schon etwas dazu, das Törichte und Schwache so hoch anzusetzen, dass es für uns nicht nur Maßstab, sondern auch Inbegriff von Glück wird! Ich kann verstehen, dass die Leute in Korinth, die den Brief bekamen, sehr unwirsch reagiert haben sollen. Sie haben sich doch als Weise angesehen, die mit jedem ankommenden Schiff – Korinth war eine bedeutende Hafen- und Handelsstadt – die Weisheit der großen Welt mit Löffeln gefressen haben. Dass der kleinen Gemeinde in Korinth der Ruf vorauseilte, nicht vornehm zu sein, wurmte die Menschen: Wenn sie schon Christen geworden waren, mussten sie schon etwas Besonderes sein. Paulus kam da schlecht weg. Mit den großen Denkern, die in Korinth zur Nachbarschaft gehören und mit denen man sich duzte, kam er nicht mit. Umso gewichtiger ist, was zu lesen, was zu verstehen ist: Gott selbst hat sich klein gemacht, seine Weisheit hinter oder über sich gelassen. Am Kreuz ist Jesus gestorben. Seine Liebe gilt den Verlorenen, den Schuldigen, den Kleinen, den Armen. Glücklich ist der Mensch, der einen Halt gibt, der weiß, wie leere Hände gefüllt werden.
Selig, die hungern und dürsten nach der Gerechtigkeit; denn sie werden satt werden.
Selig die Barmherzigen; denn sie werden Erbarmen finden.
Selig, die ein reines Herz haben; denn sie werden Gott schauen.
SUCHEN UND SCHAUEN
Gott schauen! Das ist’ s!
Zefanja: „Sucht den Herrn, ihr Gedemütigten im Land, die ihr nach dem Recht des Herrn lebt. Sucht Gerechtigkeit, sucht Demut!“ – Sucht!
Paulus: „Seht auf eure Berufung, Schwestern, Brüder! Da sind nicht viele Weise im irdischen Sinn, nicht viele Mächtige, nicht viele Vornehme“ – Schaut!
Suchen und Schauen werden zu Zauberworten einer neuen Welt. Sie führen auch in eine neue Welt. Wir sind nicht fertig, noch nicht angekommen… Wir haben noch nicht alles gesehen, nicht alles verstanden… Wir werden den Himmel finden, unerwartet unter uns… Wir Seligen!
Hans Dieter Hüsch hat in einem Psalmgedicht den weiten Bogen geschlagen:
Ich bin vergnügt, erlöst, befreit.
Gott nahm in seine Hände meine Zeit,
mein Fühlen, Denken, Hören, Sagen,
mein Triumphieren und Verzagen,
das Elend und die Zärtlichkeit.
Was macht, dass ich so fröhlich bin
im meinem kleinen Reich?
Ich sing und tanze her und hin
vom Kindbett bis zur Leich.
Was macht dass ich so furchtlos bin
an vielen dunklen Tagen?
Es kommt ein Geist in meinen Sinn,
will mich durchs Leben tragen.
Was macht, dass ich so unbeschwert
und mich kein Trübsinn hält?
Weil mich mein Gott das Lachen lehrt
wohl über alle Welt.
Amen
Seneschall Matthias David