Selig – wehe!

Predigtgedanken zum 6. Sonntag im Jahreskreis Lk 6:17 – 26

Um dem Anliegen Jesu gerecht zu werden, ist es wichtig wahrzunehmen, dass er von seinen Jüngern, also Menschen redet, die arm oder reich sind, die

hungern, trauern und lachen. Jesus preist nicht die Armut, den Hunger, die Traurigkeit oder die Verfolgung selig; er spricht sein „Wehe” nicht aus über den Reichtum, das Sattsein oder das Lachen. Reichtum, Fröhlichkeit, einen gut gedeckten Tisch mit schmackhaften Speisen wünscht Jesus jedem Menschen.

Der Herr möchte nicht, dass wir in Not sind, darben müssen, verfolgt und gejagt werden, aus Situationen der Trauer nicht mehr herauskommen. Er weiß, dass

nicht nur Reichtum, sondern auch Armut und Hunger gierig machen können, dass frohe und wohlhabende Menschen oft freigiebig, hilfsbereit und großzügig

sind. So bleibt die Frage, was Jesus verdeutlichen will mit seinen Seligpreisungen und Weherufen in den Begriffspaaren: Arm – reich, hungern – satt sein, trauern – lachen, gehasst werden – Lob erhalten.

Arm im Sinne Jesu ist ein Mensch, wenn er weiß, dass er den Mitmenschen zutiefst nötig hat und dieser ihn. Nicht nur das Kind bedarf der Liebe und

Fürsorge seiner Eltern, der Erwachsenen und Freunde. Jeder braucht um sich her Menschen, die ihn mögen, annehmen, lieben, aushalten, sich für ihn einsetzen, ihm Mut machen und in schlimmen und schwierigen Situationen beistehen. Selig preist Jesus den, der sich dieser seiner Bedürftigkeit bewusst ist und erkennt: Die wichtigsten Dinge des Lebens wie Zuneigung, Liebe, Vergebung, Lob, Anerkennung, Gesundheit, Leben, Talente, Fähigkeiten müssen mir geschenkt werden. Sie sind nicht käuflich zu erwerben oder mit Gewalt zu erzwingen, höchstens zu erbitten. Wer diese, jedem Menschen gegebene Armut fröhlich annimmt und sich beglückt immer wieder durch Gott und die Mitmenschen reich beschenkt erlebt, der ist selig zu preisen. Denn ein solcher Mensch sieht, in welcher Fülle er täglich mit Gutem überhäuft wird. Er wird nicht gierig werden. Denn die gewährten Gaben sind ihm ein solcher Reichtum, dass er, selbst bei äußerer Armut, in einem hohen Maß zufrieden lebt.

Es wird ihm Freude bereiten, sich den Mitmenschen zuzuwenden, weil er weiß, dass einer den anderen braucht, um glücklich zu werden. Er weiß, dass er

großzügig alle empfangenen Gaben wie Wohlwollen, Liebe, Barmherzigkeit mit anderen teilen kann, ohne dabei ärmer zu werden. Weil ihm Menschen, besonders die in Not, am Herzen liegen, wird er materiellen Reichtum nicht über Gebühr und ohne Blick auf den Bedürftigen anhäufen. Teilen ist ihm nicht Last, sondern Freude. Zur menschlichen Armut gehört auch die menschliche Begrenztheit mit ihren

Fehlern und allem persönlichen Versagen. Zu preisen ist, wer sich diese Tatsache eingestehen kann, wer sich nicht ständig größer, intelligenter, mutiger,

erfolgreicher, tadelloser geben muss, als er in Wahrheit ist. Ein Mensch, der seine eigene Begrenztheit annehmen kann, freut sich bereits über kleine Erfolge.

Er beschämt nicht den Schwächeren neben sich und gönnt dem Tüchtigeren den Vortritt. Bei aller Trauer über die eigene Unvollkommenheit wird die Freude nie ganz aus seinem Inneren weichen.

Zu den Reichen, über die Jesus ein „Wehe” ausspricht, zählen jene, die glauben, sie könnten alles kaufen. Für den materiellen Bereich mag dies zutreffen. Teure Urlaube, ausgesuchte Kleidung, rauschende Feste, eine eigene Villa mit

Wochenendhaus oder Hochseejacht, kostbarer Schmuck, das alles ist für Geld zu haben. Wer den wohlverdienten Luxus genießt und die Mitmenschen dabei nicht vergisst, wird Jesus nie als Gegner finden. Aber wehe denen, die ihren Reichtum auf Kosten anderer leben oder erwerben, indem sie z.B. ungerechten Lohn zahlen, Wucherzinsen für geliehenes Geld abverlangen, Konkurrenten gezielt in den Bankrott treiben und damit zum eigenen Nutzen ausschalten, Schutzgelder erpressen, das Einkommen der Familie überwiegend für sich

verbrauchen zum Nachteil der anderen, sich einer angemessenen Zahlung von Unterhaltsverpflich-tungen entziehen, durch kleinen oder großen Betrug Geld oder Besitz erwerben, die Schädigung von Versicherungen, Banken oder der Staatskasse als legitim betrachten und praktizieren, keine Nachsicht und Barmherzigkeit mit Schuldnern kennen, die Notlage der anderen für sich ausnutzen. Darunter fällt auch die Annahme von Bestechungsgeldern, um unnütze Impforgien zu rechtfertigen sowie Staubsaugerbeutel fürs Gesicht unters Volk zu bringen und die staatlich forcierte Ausgrenzung von vermeintlichen Minderheiten.

All dieses Handeln schreit zum Himmel.

Selig sind die Friedfertigen! Amen.

Ordenskaplan Matthias David