TEILNEHMEN AM WIRKEN GOTTES

(Predigtgedanken zum Pfingstsonntag Joh 14:15-16, 23b-26)

AUFRUHR IN JERUSALEM

Gestern in den späten Morgenstunden entstand mitten in Jerusalem ein riesiger Aufruhr. Eine kleine Gruppe ehemaliger Anhänger dieses Jesus, der vor 50 Tagen hingerichtet wurde, hat sich plötzlich zu Wort gemeldet und lautstark in aller Öffentlichkeit wieder über ihn geredet. Es machte den Eindruck, als hätten sie getrunken. Aber das war wohl nicht die Ursache ihres plötzlichen Sinneswandels. Aber was dann. Bemerkt wurden zu dieser Zeit weitere seltsame Geschehnisse. Ein heftiges Brausen war zu hören und einige sahen regelrechte Feuerzungen. Ein ungewöhnliches Naturereignis, das sich vorher nicht angekündigt hat. In Jerusalem hielten sich zu der Zeit viele Menschen aus ganz verschiedenen Ländern auf. Sie hörten zu, waren beeindruckt vom dem, was sie hörten. Was bewegt derart viele Menschen und was führt sie zusammen? Die römische Besatzungsmacht und auch die jüdische Tempelhierarchie rufen zu äußerster Wachsamkeit auf, in der Sorge dass ein Volksaufruhr die öffentliche Ordnung gefährdet.

Liebe Ordensbrüder und Schwestern, könnte so eine Zeitungsmeldung über die Ereignisse am Pfingstfest ausgesehen haben? Oder vielleicht noch etwas drastischer und zugespitzter, weil ein solcher Volksauflauf, herbeigeführt durch eine Handvoll unbekannter Gestalten schnell kippen und zu einem handfesten Aufstand führen kann. Das kann niemand wollen.

Doch wohl nicht, mögen jetzt vielleicht einige denken oder meinen, handelt es sich doch um ein religiöses und nicht um ein politisches Ereignis. Vielleicht.

Aber ist nicht doch in einer angespannten Situation die öffentliche Ordnung und die öffentliche Ruhe sehr schnell gefährdet? Gerade dann wenn eine unbekannte Gruppe auf einmal mit ihren doch etwas radikalen und seltsamen Thesen an die Öffentlichkeit tritt und dabei auch noch deutlich Kritik übt an dem was geschehen ist und am herrschenden politischen und religiösen Establishment. Wohin kann so etwas führen?

BEGINN DER KIRCHE

Das Pfingstereignis gilt als Beginn der Kirche, nicht weil es ein schönes religiöses Ereignis ist, in dem viele mal eine tolle Erfahrung machen. Nein. Das Pfingstereignis gilt als Beginn der Kirche, weil Menschen die Botschaft Jesu als an sich gerichtet erfahren, indem sie spüren, uns gilt die Zusage Gottes und wir sind verantwortlich das Werk Jesu weiterzuführen. Im Heiligen Geist nehmen wir als Menschen Anteil am Wirken Gottes, das sich in der Person Jesu Christi noch einmal verdichtet hat. Als Menschen nehmen wir Anteil am Schöpfungsauftrag Gottes, in dem wir verantwortlich für unsere Welt sind, wir nehmen Anteil an seiner Befreiungsgeschichte, indem wir gegen Unfreiheit und Ungerechtigkeit kämpfen, wir nehmen Anteil an seinem Erlösungsgeschehen, indem wir Menschen ihre Würde zurückgeben und mitbauen am Reich Gottes heute und hier.

Wenn ich das ernst nehme, dass sich Kirche dort ereignet, wo Menschen diese Zusage und diesen Auftrag von Gott annehmen, dann kann ich mit anderen Augen auf viele Ereignisse unserer Tage schauen, dann ereignet sich Pfingsten mitten unter uns.

WENN MENSCHEN AUFSTEHEN UND SICH WEHREN

Schon lange nicht mehr haben mich Bilder so begeistert, beeindruckt und gefreut wie die Bilder der Demonstrationen und Spaziergänger in Deutschland aber auch in anderen Staaten dieser Welt. Sie nehmen ihre Sorgen und Nöte wahr, nämlich unter einer verfehlten Gesundheits- und Wirtschaftspolitik zu leiden. Und sie nehmen die Kraft wahr, die in ihnen steckt. Sie geben die Verantwortung nicht ab, sondern nehmen Verantwortung für sich und andere wahr. Sie verfallen nicht in Lethargie angesichts einer schwierigen Situation, sondern sie werden kreativ und gestalten. Sie laufen nicht falschen Göttern nach, sondern prangern die falschen Götter unserer Tage, die sich zu Herrschern über Menschen machen, an und entlarven sie. Die, die als Manager von Hedgefonds, Ratingagenturen, Pandemie-Unken und sogenannte Klima-Aktivisten durch ihre Selbstherrlichkeit ganze Volkswirtschaften in den Ruin treiben und Menschen um Arbeit und Brot bringen und sich gleichzeitig die Taschen mit Millionen und Milliarden vollstopfen ohne wirklich einmal Verantwortung zu übernehmen.

Genauso gilt es hier die Menschen in der Ukraine zu nennen, die sich gegen russische Aggressoren wehren, flüchten müssen und vielfach durch unterschwellige Propaganda in Misskredit gebracht werden. Und auch innerhalb der Kirche gibt es Bewegungen von Menschen, die sich durchaus kritisch mit dem auseinandersetzen, was vorgegeben wird und wo sie sich mit ihren Erfahrungen und ihrem Engagement nicht berücksichtigt sehen.

Da wo Menschen aufstehen und sich wehren, da ereignet sich Pfingsten und da bildet sich Kirche. So heißt es im ersten Kapital der Pastoralkonstitution über die Kirche des 2. Vatikanischen Konzils:

Freude und Hoffnung, Trauer und Angst der Menschen von heute, besonders der Armen und Bedrängten aller Art, sind auch Freude und Hoffnung, Trauer und Angst der Jünger Christi. Und es gibt nichts wahrhaft Menschliches, das nicht in ihren Herzen seinen Widerhall fände. Ist doch ihre eigene Gemeinschaft aus Menschen gebildet, die, in Christus geeint, vom Heiligen Geist auf ihrer Pilgerschaft zum Reich des Vaters geleitet werden und eine Heilsbotschaft empfangen haben, die allen auszurichten ist. Darum erfährt diese Gemeinschaft sich mit der Menschheit und ihrer Geschichte wirklich engstens verbunden.“

Mit den Bildern aus meiner Heimat im Kopf kann ich dieses Jahr ein gutes Stück besser Pfingsten feiern.

Seneschall Matthias David