Umsonst habt ihr empfangen, umsonst sollt ihr geben

(Predigtgedanken zum 11. Sonntag im Jahreskreis / 2. Sonntag nach Trinitatis Mt 9:36 – 10:8)

Der Wert einer Predigt?

Wie errechnet man den Wert einer Predigt? Vierzehn Jahre – solange bin ich schon im “Geschäft” – wusste ich keine Antwort auf diese Frage. Doch seit gestern weiß ich es:

Indem man vom eparchialen Honoraransatz für eine “Gottesdienstaushilfe mit Predigt” den Ansatz für eine “Gottesdienstaushilfe ohne Predigt” abzieht… Was bei dieser Rechnung herauskommt, möchte ich hier nicht breittreten. Vielleicht spiegelt sich im Ergebnis auch die resignative Erfahrung mancher Mitchristen wider: “Es ist ohnehin alles umsonst!”. Zum Glück halten sich nicht alle Priester an die eparchialen Vorgaben, bzw. “honorieren” manche, die unsere “Leistungen” schätzen, unseren Dienst auf anderem Wege.

Als ich mein Rechenbeispiel in unserer wöchentlichen Priesterrunde bei Tisch zum Besten gab, hielt mir ein Mitbruder – nicht ganz ernst gemeint – entgegen: “Umsonst habt ihr empfangen, umsonst sollt ihr geben”.

Zwei Welten

In der Frage der Entlohnung kirchlicher Dienste überschneiden sich zwei Welten: Die Welt, in der wir unseren Lebensunterhalt verdienen müssen, und die Welt, in der Unverdientes und Unverdienbares gegeben und empfangen wird.

In der einen Welt herrscht wirtschaftliches Denken nach dem Grundsatz “do ut des”, “gib, damit dir gegeben wird”. In dieser Welt hat alles seinen Preis und einen Marktwert. Auch von Nichtmateriellem kann man irgendwie einen Wert oder Kostenfaktor berechnen.

Angebot und Nachfrage bestimmen den Preis. Dies gilt auch für die Arbeitskraft eines Menschen oder für persönliche Dienstleistungen.

Dem steht eine Welt gegenüber, in der Unbezahlbares weiter gegeben wird. Dass die Eltern bereit waren, mir das Leben zu schenken und mich dann auch noch groß zu ziehen, kann ich ihnen nie zurückzahlen. Wenn Menschen einander Liebe schenken, bekommen sie zwar meist auch Gegenliebe zurück, es bleibt aber etwas, das sich nicht aufrechnen lässt. Etwas, das umsonst gegeben und umsonst empfangen wird.

Ähnlich ist es wohl auch mit der Gnade des Glaubenkönnens. Die Ahnung vom Geheimnis Gottes, die mir auf meinen Lebensweg mitgegeben wurde, kann ich gar nicht so einfach an einzelnen Personen festmachen. Viele Namen fallen mir ein, denen ich für ihr persönliches Glaubenszeugnis dankbar bin, und die bereit waren, sich mit mir und meinen Fragen auseinanderzusetzen. Umsonst haben sie gegeben, umsonst habe ich empfangen. Auch wenn Teile meiner persönlichen und theologischen Ausbildung nicht gratis waren, an entscheidenden Punkten stoße ich auf Ereignisse und Begegnungen, die ich nicht bezahlen und auch nicht zurückzahlen kann.

Glauben weiter geben

Im Evangelium hörten wir, wie Jesus seine Jünger aussendet, das Gleiche zu tun, was er selbst getan hat: heilt Kranke, weckt Tote auf, macht Aussätzige rein, treibt Dämonen aus . . . Was ihnen selbst in der persönlichen Begegnung mit Jesus von Nazareth geschenkt worden ist, sollen sie nun weiter geben.

Zuvor nimmt er sie in seinen Dienst, wie ein Gutsbesitzer Arbeiter aufnimmt, damit sie in seinen Weinbergen und auf seinen Feldern sich abmühen. Er ruft sie jedoch einzeln beim Namen. Dies zeigt bereits: Hier geht es um mehr als um eine Anstellung, um mehr als um eine Aufgabe, um mehr als ein Projekt. Von ziemlich allen Eparchien des deutschsprachigen Raumes hört man, dass sie in wirtschaftlicher Hinsicht den Gürtel enger schnallen müssen. Sie haben Mühe, ihre Angestellten, Nichtpriester wie Priester, zu bezahlen und ihre sozialen wie auch pastoralen Projekte zu finanzieren. Viele sind aus den Kirchen ausgetreten, weil sie nicht mehr bereit sind, Beiträge oder gar Steuern für etwas zu bezahlen, das sie selbst nicht schätzen.

Was dürfen die Leistungen der Kirchen kosten?

Vielleicht zeitigt diese Krise früher oder später auch Positives. In den letzten Jahrzehnten ist nicht zuletzt dank guter finanzieller Absicherung in den Vordergrund getreten, was die Organisation Kirche leistet. Dabei braucht sie den Vergleich mit anderen gesellschaftlichen Einrichtungen nicht scheuen. Ihre professionelle und engagierte Arbeit genießt in vielen Bereichen hohes Ansehen. Auch für die Kirchen gilt: “Der Arbeiter ist seines Lohnes wert!” Ich bin überzeugt, dass sich das Preis- Leistungs-verhältnis wieder einpendeln wird.

In dieser Krise zeigt sich meines Erachtens aber auch, wofür viele Leute nicht mehr zahlen wollen: Für die Weitergabe des Glaubens. Sie wollen nicht für etwas Geld ausgeben, das sie selbst nicht als wertvoll erfahren haben. Aus dem Blickwinkel der Welt der Marktwirtschaft ist diese Haltung durchaus einsichtig. Persönliche Glaubenserfahrung, die Gnade des Glaubenkönnens passt da nicht hinein. Das Geschenk des Glaubens haben wir umsonst empfangen und können wir nur umsonst weiter geben.

Glaube ist unbezahlbar

Das Evangelium ruft uns in Erinnerung, dass die Jünger Jesu eine Aufgabe wahrzunehmen haben, die in das vertraute Schema des Gebens und Nehmens nicht hineinpasst. Den Glauben, den sie in der Begegnung mit Jesus umsonst empfangen haben, und die Früchte dieses Glaubens sollen sie weitergeben. Dies ist ihre erste Aufgabe.

Dieses Evangelium macht aber auch noch ein Zweites deutlich. Der Glaube, um den es hier geht, ist mehr als eine Lehre. Er hat mit persönlichem Vertrauen zu tun, er beinhaltet das unbezahlbare Geschenk, in der Geborgenheit Gottes leben zu können, das sich von Gott getragen wissen.

Dieser Aspekt des Glaubens kann nicht an berufsmäßige Verkünder “ausgelagert” oder delegiert werden. Dieses Zeugnis ist Dienst eines jeden, den Jesus in der Taufe beim Namen gerufen hat, und der sich in seiner Nachfolge weiß.

Ein bleibendes Dilemma

Zeugen kann und darf man nicht bezahlen. Das käme einer Bestechung gleich. Wohl aber verdienen Lehrer, Verwalter, Manager und was es sonst noch braucht, um eine Organisation wie die Kirche erfolgreich zu führen, einen gerechten Lohn. Aus diesem Dilemma kommen wir auch in Zukunft nicht heraus.

Jesus und seine ersten Jünger haben sich von wohlhabenden Frauen aushalten lassen

(vgl. Lk 8,3). Paulus hat neben seinem Dienst als Apostel von seinem Beruf als Zeltmacher gelebt (vgl. Apg 18,3 und 1 Kor 9,15f). Dafür wird wohl jede Zeit und Kultur angemessene Lösungen finden müssen.

Diese Probleme sollen uns aber nicht hindern, unser Kernaufgabe nachzukommen, die da lautet: Geht und verkündet: Das Himmelreich ist nahe!

Amen.

Seneschall Matthias David