„WOLLT AUCH IHR GEHEN?“

(Predigtgedanken zum 21. So.i.Jkr. / 13. So.n.Trinitatis, Joh 6:60-69, Jos 24:1-2a, 15-17, 18b, Eph 5:21-32)

DIREKT UND HART

In den Bibelstellen dieses Sonntags geht es nicht gerade zahm zu. Josua konfrontiert das Volk Israel nachdem es das verheißene Land in Besitz genommen hat: Wenn es euch nicht gefällt, dem Herrn zu dienen, dann wählt euch heute, wem ihr dienen wollt: Den Göttern euer Väter, oder den Göttern der Emoriter. Im ungekürzten Text stellt Josua diese Frage zweimal. Er bringt es auf den Punkt, fordert das Bekenntnis der Israeliten.

Der Evangelientext ist nicht weniger harmlos: Seine Worte sind hart, wer kann sie anhören? So die Aussage vieler Jünger Jesu und sie verlassen Jesus, begleiteten ihn nicht mehr. Und Jesus konfrontiert die Zwölf: Wollt auch ihr weggehen?

Nein, zahm, glatt und harmonisch sind diese Stellen nicht. Und sie halten uns heute einen Spiegel vor, spiegeln unsere gemeinschaftliche und kirchliche Situation wieder.
Wenn ich die Jahre, die ich in als Seelsorger arbeite, nachgehe und die Augen offen halte, dann sehe ich, dass die Kirchenbänke leerer geworden sind. Und viele bemerken in Gesprächen. Wir sind als Christen doch wenige geworden.
Ist die Entwicklung so, dass von den zehn kleinen Christen nur noch einer übrig bleibt?

ANSTÖSSIG

Ja, auch bei Jesus war es schon so. Die Leute haben sich nicht nur um ihn geschart. Nein, das Gegenteil ist eher der Fall.
Es gab mehr, die an ihm Anstoß genommen haben, als solche, die ihm folgten. Seine Worte waren nicht nur klar, einfach, durchschaubar und froh machend. Sie waren für die Juden in vielen Dingen ein echtes Ärgernis. Und Jesus rennt ihnen nicht nach, versucht nicht jede Schwierigkeit aufzulösen, sondern setzt noch einen drauf: Was werdet ihr sagen, wenn ihr den Menschensohn aufsteigen seht? Und er erklärt, dass es welche gibt die nicht glauben und wohl auch nicht glauben werden.

Im Johannesevangelium, um ca. 100 nach Christus geschrieben, begegnet uns eine Gemeinde die in einer Krise steckt. Da gab es vor allem Juden, die mit diesem Jesus nichts zu tun haben wollten. Es war ihnen suspekt, das er sich als Gottes Sohn bezeichnet. Das war mit ihrem Eingottglauben nicht vereinbar.

IN FRAGE GESTELLT

Für die junge Gemeinde eine echte Anfrage. Glauben wir das richtige, wenn so viele nicht glauben, oder sogar weggehen. Liegen wir richtig, oder haben die anderen recht? Was ist wirklich wichtig? Werden wir als Gemeinde oder Gemeinschaft überleben? Eine ernsthafte Krise der jungen Christengemeinde.

Und da entdecke ich viel von unserer heutigen Situation. Menschen gehen langsam, ganz heimlich oder auch lautstark, können mit ihrer Gemeinde, mit der Kirche, mit ihrem christlichen Glauben nichts mehr anfangen.

Ich möchte das von dieser Stelle nicht beurteilen, es steht mir nicht und auch sonst niemanden zu, denn Glaube lässt sich nicht befehlen und verordnen. Niemand kann zu mir kommen, wenn es ihm nicht vom Vater gegeben ist, sagt Jesus. Aber ich merke schon, dass er auch mich, meinen Glauben und mein Verbleiben in dieser Kirche ernsthaft anfragt.

ÄRGERLICH

Und es gibt handfeste Dinge, die Menschen verärgern. Für den einen mag es die fehlende Bereitschaft zum Dialog und zum partnerschaftlichen Umgang in der Kirche sein. Für einen anderen sind es Stellungnahmen, die oft wenig die Notlage der Menschen im Auge haben, für andere ist es die Rolle der Frau in der Kirche, für wieder andere, dass sie sich in einer Notlage (Corona) von der Kirche verlassen gefühlt haben, andere können mit dem, was im Gottesdienst was geschieht, gesagt und gefeiert wird, nichts anfangen oder Menschen bleiben weg, weil es gerade in ist und ihnen die Kirche schon lange zu anstrengend ist.

Und ich will auch hier ganz ehrlich sein, es gibt auch für mich Dinge, die mir das Glauben und die Zugehörigkeit zur Kirche nicht einfach machen. In einigen der gerade aufgezählten Punkte kann ich mich wiederfinden.

KRISENSTIMMUNG

In vielen Gremien beschäftigt man sich damit, wie es mit dem Glauben in unserer Zeit und mit der Kirche weitergehen soll. Und diese Anfragen, Schwierigkeiten und Probleme mit der Kirche und dem eigenen Glauben müssen offen genannt und diskutiert werden. Totschweigen und Schönfärberei machen die Situation eher schlimmer, als dass sie helfen.

HOFFNUNG

Aber es gibt auch Hoffnungen: Auf die Frage an die Zwölf: Wollt auch ihr weggehen? antwortet Simon Petrus: Herr, zu wem sollen wir gehen? Du hast Worte des ewigen Lebens. Wir haben geglaubt und erkannt: Du bist der Heilige Gottes.

Neben allem was vielleicht muffig, staubig und überholt erscheint, gibt es viel mehr echte Lebendigkeiten in unserer Gemeinschaft, als wir vielleicht auf den ersten Blick vermuten. Ich höre hier im Krankenhaus die Fragen, die Menschen haben, und ich höre wie sie durch ihr Fragen Kraft gewinnen und wie sie Gott und ihren Glauben als etwas erleben, das in einer Krisenzeit trägt.

Damals wie heute gibt es Krisen, aber ich möchte ein bisschen wie Petrus die Hoffnung nicht fahren lassen, das unser Glaube für viele Menschen der wichtigste Lebensraum ist und die Welt ohne Glaube ärmer und kälter werde. Trotz vieler Schwierigkeiten und Probleme ist die Kirche und auch unsere Gemeinschaft ein Ort, der mich leben und froh sein lässt.

Seneschall Matthias David