Jesus legt in den Abschiedsreden die Vorgaben an seine Jünger sehr hoch. Vor allem die Forderung einer Liebe, wie er uns geliebt hat, scheint unerreichbar. Der Geist, den er über seine Kirche ausgegossen hat, befähigt uns, den Weg der Liebe zu gehen.
WIR ALS FREUNDE JESU
Im heutigen Evangelium haben wir gehört: „Ihr seid meine Freunde, wenn ihr tut, was ich euch auftrage.“ Jemandes Freund – im echten Sinn und nicht wie in Facebook – zu sein, ist ein Ehrentitel. Das heißt schon etwas. Echte Freunde und Familie gehören zu unserem engsten Beziehungsgeflecht.
BEZIEHUNGSSTOLPERSTEIN
Wenn es um die Beziehung Jesu zu seinen Jüngern und zu seiner Familie geht, fällt mir aber eine andere Episode seines Lebens ein, die für mich gleichsam ein Stolperstein im Bild eines ganz auf Liebe zu seiner Ursprungsfamilie ausgerichtetem Jesus ist.
Alle drei Evangelisten schildern die Begebenheit, wie Jesu Mutter und seine Verwandten meinen, so wie er auftritt, sei er von Sinnen. Daraufhin lehnt sie Jesus schroff ab – das passt doch nicht zum „lieben Jesus“. Er muss sie doch damit unheimlich verletzt haben. Da, denke ich, kommt Jesus uns Menschen sehr nahe. Wir kennen das doch, wenn wir selbst eine so schroffe Ablehnung, noch dazu von Leuten, die uns nahestehen, erfahren. Unsere Erwartungen an die „vollkommene Liebe“ unseres Ehepartners, unserer Eltern oder Kinder, unserer Freunde oder Nachbarn wird nicht erfüllt und wir sind ent-täuscht. Sie lieben uns doch nicht so, wie wir geglaubt haben. Und wenn Jesus dann auf die Schar seiner Jünger verweist und sagt: „Wer den Willen Gottes tut, der ist für mich Bruder und Schwester und Mutter“ oder uns – wie im heutigen Evangelium – uns seine Freunde nennt, wenn wir tun, was er uns aufträgt, dann wissen wir doch bei einiger Selbstkritik, dass wir seine Erwartungen nie erfüllen können. Und er weiß das von uns sicher auch. Noch dazu wo die heutige Stelle aus dem Evangelium zu den sog. Abschiedsreden gehört, Worte, die Jesus im Kreis seiner Jünger vor seinem Leidensweg spricht. Mit dabei sind Judas, der ihn gleich im Anschluss an diese Szene im Abendmahlsaal verraten wird und auch Petrus, der ihn in ein paar Stunden drei Mal verleugnen wird.
MENSCHENLIEBE – GOTTESLIEBE
Das aber ist der Unterschied zwischen unserer menschlichen Liebe und der Liebe Gottes. Alle unser menschliche Liebe kann immer nur ein kleines Stück der göttlichen Liebe widerspiegeln und nie so vollkommen und ganz sein wie Gottes Liebe, sie kann nur ein schwaches Abbild der göttlichen Liebe sein. Und in der zweiten Lesung aus dem Johannesbrief haben wir heute gehört: „denn die Liebe ist aus Gott“. Zwei weitere Stellen aus dem Johannesbrief lauten: „Wer nicht liebt, hat Gott nicht erkannt“ und „das ist mein Gebot: Liebt einander!“. Wer mit Jesus leben will, wer als Christ leben will, muss diesen Weg der Liebe gehen, auch dann, wenn er es noch so unvollkommen kann.
Wir kommen nicht umhin, uns an das Eheversprechen zu erinnern, in dem sich die Partner versprechen, einander zu lieben, zu achten und zu ehren und die Treue zu halten. Und wie oft gelingt das nicht.
Wir kommen nicht umhin, unseren Freunden wirklich das für sie Beste zu geben – und das ist nicht immer das, was gleichsam „freundlich“ ist, sondern manchmal heißt das auch, einer Freundin, einem Freund, Perspektiven in ihrem oder seinem Leben aufzuzeigen, denen er nicht gleich freudig zustimmen kann.
Wir kommen nicht umhin, einander immer wieder zu vergeben. Vergeben heißt nicht, das zugefügte Leid und den Schmerz zu vergessen, sondern sich selbst von dem Klotz am eigenen Bein, mit dem wir nach solchen Verletzungen durch unser Leben gehen, zu befreien, ihn abzuwerfen, und wieder befreit ohne diesen Ballast auf den anderen zuzugehen.
Das alles können wir nur wagen, weil wir – bewusst oder unbewusst – selbst geliebt werden von dieser Liebe, die wir Gott nennen. Und dazu braucht es nicht unbedingt den Taufschein. In der heutigen ersten Lesung haben wir Petrus gehört, wenn er sagt, „dass Gott nicht auf die Person sieht, sondern dass ihm in jedem Volk willkommen ist, wer ihn fürchtet und tut, was recht ist“. Auch über sie ist die Gabe des Heiligen Geistes gekommen. Und dieser Geist, der Heilige Geist, ist es, der als Frucht aus der Liebe des Vaters und des Sohnes auf uns alle ergossen ist und uns zur Liebe befähigt.
DIE LIEBE ALS AUFGABE
Die Liebe ist uns aufgetragen. Zu ihr sind wir im Heiligen Geist befähigt. Unsere Liebe wird immer bruchstückhaft bleiben, denn nur Gott selbst ist die vollkommene Liebe. All unser Lieben kann nur ein kleiner Hinweis auf die uns alle umfassende größere Liebe Gottes sein.
Seneschall Matthias David