(Predigtgedanken zum 4. Sonntag in der Osterzeit / Jubilate; Joh 10, 11 – 18)
BEGEGNUNG
Zwischen 64 und 67 n. Chr. verfolgte Kaiser Nero die Christen in Rom. Nach der Legende floh deshalb der Apostel Petrus und ging aus Rom weg. Auf seinem Weg stadtauswärts begegnete ihm Jesus, der stadteinwärts unterwegs war. Petrus fragte ihn: „Quo vadis, domine? Wohin gehst du, Herr?“ Jesus antwortete: „Ich gehe nach Rom, um mich nochmals kreuzigen zu lassen.“ Diese Antwort brachte Petrus ins Stocken, er fand neue Kraft und kehrte um. Er verschenkte im Glauben an seinen Meister in Rom sein Leben im Martyrium.
Die Begegnung mit Jesus, der ruft, lässt auch uns den eigentlichen Weg finden. Der Ruf erfolgt dabei nicht immer ausdrücklich wie in der Legende. Eine Begegnung, in der ich bemerke, dass jemand bewusst in eine andere Richtung geht und so meinen Weg in Frage stellt, kann manchmal viel wirkungsvoller sein als der direkte Appell.
Aber wo finde ich diese Begegnung mit Jesus, mit Gott? Das Evangelium spricht vom Hören: „Meine Schafe hören auf meine Stimme. Ich kenne sie und sie folgen meiner Stimme“. „Und niemand wird sie der Hand meines Vaters entreißen.“ (Joh 10, 27c)
DIE STIMME HÖREN UND SICH KENNEN
Ein Besucher in Palästina traf an einer Wasserstelle auf drei Hirten, die ihre Tiere nicht nach Herden getrennt, sondern gemeinsam tränkten. Wie sollte da der einzelne seine Schafe wieder herausfinden?
Als sich die Tiere satt getrunken hatten, nahm der eine Hirte seinen Stab und rief: „Men – ah!“ (folgt mir!). Und sogleich schloss sich ihm seine Herde an.
Dann rief der zweite Hirte, und das gleiche geschah.
Der Besucher fragte nun den letzten Hirten: „Würden deine Schafe wohl auch mir folgen?“ Der Mann schüttelte den Kopf: „Versuch es!“ Daraufhin zog der Fremde den Mantel des Hirten an, band sich den Turban um, griff den Hirtenstab und rief: „Men – ah!“ Aber kein Tier folgte. „Nur wenn ein Tier krank ist“, lächelte der Hirte, „folgt es dem Nächstbesten.“
WEM FOLGST DU?
Wie können wir die Stimme des Guten Hirten hören und ihr folgen? Wie können wir heute einzeln und gemeinsam ein ganz persönliches Vertrauensverhältnis zu ihm, dem Guten Hirten, aufbauen? Oft muss persönliches Vertrauen erst wachsen. Es braucht Zeit und viel Bemühen, um Jesu Stimme in der hl. Schrift und in seiner Kirche vertrauensvoll zu hören und als richtungsweisend anzunehmen. Um meine Marschrichtung um 180° zu ändern, braucht es viel Gebet. Wenn ich jeden Nächsten, auch den schwierigen, als Schwester und Bruder annehme, wenn mich oft aus der Hl. Eucharistie nähre, wird Jesu Stimme in mir immer deutlicher sprechen. Es heißt in der Hirtenrede Vers 7: „Einem Fremden werden sie nicht folgen, sondern sie werden vor ihm fliehen, weil sie die Stimme des Fremden nicht kennen“. Für das deutsche Wort „der Fremde“ steht im Griechischen Urtext unser Lehnwort „Allotrios“. Einem Hallotri kann man auch heute nicht trauen.
Der arabische Hirte sprach davon, dass nur kranke Tiere einem Fremden folgen. Zudem gelten Schafe als treuherzig und lieb. Doch sie gelten auch als dumm. Eine wichtige Botschaft: Wir können durch die 1000 Einflüsse seelisch verwirrt werden und wie krank in unser Unglück rennen. Wir können von den Hallodris unserer Gesellschaft verführt und zerstört werden. Das gilt für eigenwillige Tiere, das gilt für Menschen in der falsch verstandenen Freiheit unsere Gesellschaft. Es wäre vermessen zu glauben, einer allein könnte aus eigenen Kräften sich gegenüber den vielfältigen Interessen der Konsum-Zivilisation auf Dauer behaupten.
AUF DIE GRÖSSERE LIEBE KOMMT ES AN
Jeder von uns hat seinen persönlichen Ruf durch Jesu Stimme. Mit dem Motto „Zum Beispiel – Du?“ fordert der diesjährige Welttag kirchlicher Berufe heraus. Es gibt die Laien, die sich in Familie, Beruf und Gesellschaft berufen fühlen und sich einsetzen. Doch heute bitten wir Gott ganz speziell um Arbeiter für seinen Weinberg.
Als schon vor vielen Jahren die Fernsehansagerin Helga Lackner ins Kloster ging, meinten Journalisten, dass sie wohl aus Liebeskummer ins Kloster ginge. Etwas anderes käme bei der für sie so glänzenden Zukunft nicht in Frage. Sie antwortete: „Anscheinend gehören Liebeskummer und Kloster bei vielen zusammen wie Spanien und Orangen. Sie können sich schwer vorstellen, dass es eine größere Liebe gibt, für die es frei zu werden gilt, wofür es sich lohnt, sogenanntes Attraktives, zu verlieren“. Diese größere Liebe antwortet großzügig auf Jesu Ruf.
Mutter Teresa von Kalkutta (1910- 1997) übersetzt die Bergpredigt in die heutige Zeit:
Die Leute sind unvernünftig, unlogisch und selbstbezogen, liebe sie trotzdem!
Wenn du Gutes tust, werden sie dir egoistische Motive und Hintergrundgedanken vorwerfen, tue trotzdem Gutes!
Wenn du erfolgreich bist, gewinnst du falsche Freunde und echte Feinde, sei trotzdem erfolgreich!
Das Gute, das du tust, wird morgen vergessen sein, tue trotzdem Gutes!
Ehrlichkeit und Offenheit machen dich verwundbar, sei trotzdem ehrlich und offen!
Diese »Trotzdem- Mentalität« auf dem Weg zur Heiligkeit, zum Heilwerden wünsche ich Ihnen aus ganzem Herzen.
Seneschall Matthias David