(Predigtgedanken zum Pfingstsonntag Apg 2:1-11, 1, Kor 12:3b-7. 12-13, Joh 20:19-23)
Aus den biblischen Texten sticht das Wort „alles“ hervor. In ihm verbirgt sich die Liebe Gottes. Somit wird dieses Wort zum Schlüssel zum Verständnis des Wirkens des Heiligen Geistes.
VERSTECKSPIEL
Zu Pfingsten werden zwar keine Eier versteckt, aber auf ein Suchspiel können wir uns heute doch noch einlassen. Wir suchen ein Wort. Es können auch mehrere sein, wenn sie einfach zusammengehören. Ein kleines Versteckspiel?
Fangen wir einmal mit der ersten Lesung an. Sie ist aus der Apostelgeschichte des Lukas. Gleich im ersten Satz heißt es: „Als der Tag des Pfingstfestes gekommen war, waren alle zusammen am selben Ort.“ Das macht schon neugierig! Alle an einem Ort? Wie das? Die Geschichte nimmt dann eine unerwartete Wendung: „und alle wurden vom Heiligen Geist erfüllt und begannen, in anderen Sprachen zu reden, wie es der Geist ihnen eingab.“ Schon wieder: „alle“! Nichts Handverlesenes! Keine Bedingungen! Keine Einschränkungen! Einfach: „alle“. Fast schon spiegelbildlich wird von einem großen Staunen berichtet.
„Wieso kann sie jeder von uns in seiner Muttersprache hören:
Parther, Meder und Elamíter,
Bewohner von Mesopotámien, Judäa und Kappadókien… und so weiter“.
Ist „jeder“ hier nicht: „wir alle“? Eine wundersame Wendung. Die ganze Welt scheint hier zu sein – und alle werden in eine Geschichte hineingenommen, die sie sich nicht hätten träumen lassen. Alle verstehen! „Wie bitte“ sagt hier keiner. Wir – alle – hören in unseren Sprachen Gottes große Taten. Alles klingt so selbstverständlich.
Alles!
ALLES IN ALLEN
Sollen wir noch ein wenig weiter suchen? In seinem ersten Brief an die Gemeinde in Korinth schreibt Paulus: Es gibt zwar viele Kräfte, die wirken, aber nur den einen Gott! Und: Er bewirkt alles in allen.
Ist das ein Zufall? Alles in allen! Das ist uns in der 2. Lesung begegnet, zugesprochen und anvertraut.
Gemeint sind die vielen Gnadengaben, die Charismen – oder einfacher gesagt: Jedem Menschen ist etwas Besonderes, Schönes, Einmaliges geschenkt. Wenn die Menschen, alle, wir alle, das teilen, sind alle reich. Paulus hat sogar den Mut, Bruder Leib als Zeugen anzurufen: alle Glieder, vom Kopf bis zu den Füßen, tragen, halten und bewegen uns. Ich kann sagen: Mir tun heute die Füße weh. Oder: mein Bauch knurrt. Oder: Meine Kehle ist ganz trocken. Aber ich bin ein einzigartiger Mensch, Ebenbild Gottes. Paulus zieht Konsequenzen daraus:
„So ist es auch mit Christus.
Durch den einen Geist
wurden wir in der Taufe
alle in einen einzigen Leib aufgenommen,
Juden und Griechen,
Sklaven und Freie;
und alle wurden wir mit dem einen Geist getränkt.“
Da ist es wieder, schon wieder: alle in Christus aufgenommen – alle mit dem einen Geist getränkt. Die Taufe wird zum Schlüssel für eine riesige Erfahrung: alle sind geliebt, begabt, beauftragt. Alle!
Ein Leib! Christus!
Ich kann von meinen müden Füßen reden. Sie gehören zu mir. Mein Körper. Aber jetzt gerät der andere Mensch in den Blick. Er kann auf verlorenem Posten stehen, sich hinter einer Maske verschanzen, sich vor jedem Tag fürchten. Er kann in sein Unglück rennen, mit dem Kopf durch die Wand wollen, alles verspielen. Und: er gehört zu mir. So, wie ich zu ihm. In Christus. Wir sind sein Leib. Alle! Wir können auch nur zusammen funktionieren, zusammen gehen, zusammen leben. Paulus spricht davon, dass wir alle mit dem einen Geist beschenkt wurden. Wieder: keine Bedingungen, keine Einschränkungen, keine Bedenken.
ALLES WISSEN
Aller guten Dinge sind bekanntlich „drei“. Im Evangelium finden wir tatsächlich das Wort „alle“ auch wieder. Eine Überraschung? Oder weil es pfingstlich ist? Womöglich eine „Geistesart“? Die Art des Geistes? Jesus sagt:
„Der Beistand aber, der Heilige Geist,
den der Vater in meinem Namen senden wird,
der wird euch alles lehren
und euch an alles erinnern, was ich euch gesagt habe.“
„Alles lehren“ – „alles erinnern“! Was Jesus gesagt hat. Alles! Hier laufen alle Fäden zusammen, alle unsere Gedanken finden ihre Mitte, alles bekommt seine Kraft. Eine neue Perspektive tut sich hier auf. Wir werden – haben Sie das gemerkt – zu „Alleswissern“! Eine gewagte Sache: Jesus hat vor so langer Zeit gepredigt, vor so langer Zeit Zeichen gesetzt. Die Distanz ist kaum zu überbrücken. Sie reicht über Jahrhunderte. Doch uns wird alles gelehrt, alles erinnert? Ein bisschen ratlos bin ich schon. Ich sehe viele Puzzleteile, höre auseinandergehende Meinungen, werde von Ansprüchen, auch von Wahrheitsansprüchen, ständig herausgefordert. Was soll ich glauben? Alles? Von wem? Wenn ich etwas nicht bin, dann „Alleswisser“!
Jesus verspricht uns einen Advokaten, einen, der dem Wortsinn nach für uns spricht, für uns eintritt, uns verteidigt. Ich bin nicht allein, wenn ich angeklagt werde, auch nicht, wenn ich mich anklage und vor dem Tribunal meines Lebens nicht bestehen kann. Wenn ich nichts mehr verstehe. Wenn mir nichts mehr bleibt. Ein größeres Geschenk als einen Fürsprecher kann es nicht geben. Er sagt, was ich nicht sagen kann. Er weiß, was ich nicht verstehe. Er hört, was im Himmel beschlossen wird. Der Heilige Geist ist ein Meister, allen Dingen ihren Grund zu geben, Größenwahn klein zu machen und Verstummten den Mund zu öffnen. Der Heilige Geist ist der Fürsprecher, der, der für uns eintritt. Er vertritt uns sozusagen anwaltlich bei Gott. Der höchsten Instanz.
DIE LIEBE GOTTES
Das Wissen ist nicht das, was im Internet aufbewahrt, vermehrt und verschlüsselt wird. In dem „alles“ versteckt sich die Fülle des Lebens, das größer ist, weiter geht, tiefer reicht als alle Daten, Fakten, Gerüchte, Bücher, Filme und Rätsel. Kann es so etwas geben? Wissen ist doch darauf aus, sich ständig zu vermehren – und das immer schneller. Neue Computer werden entwickelt, optimiert, immer leistungsfähiger. Mit schier unendlichen Speicherkapazitäten und Geschwindigkeiten, die den Atem rauben. Ob Jesus das im Blick hat? Ist das „alles“? Doch In dem „alles“ offenbart sich die – Liebe. Die Liebe Gottes. Sie schenkt dem Wissen eine Bescheidenheit, eine Weisheit, eine Klarheit, die allen Dingen, auch den einfachen und verletzlichen, einen Glanz schenkt, der nur aus dem Himmel kommen kann. Nicht die Menge macht es, nicht, was gezählt und gesammelt werden kann – alles wird an der Liebe gemessen. Alles zu wissen heißt: zu sehen, zu verstehen, wie die Liebe alles wägt, was wir zu wissen glauben. Alles zu wissen heißt: aus dem Bann der Dinge herauszutreten, die nur sich selbst sehen können, sich vermehren, sich im Unendlichen verlieren.
Paulus schreibt: „Jedem aber wird die Offenbarung des Geistes geschenkt, damit sie anderen nützt.“
Das Zauberwort von Pfingsten ist: „alle“. „alles“. So einen Geist zu haben, löst viele Versteckspiele auf!