EINE SPEISE, DIE NICHT VERDIRBT

(zum 18. Sonntag im Jahreskreis)

DAS HEMD EINES ZUFRIEDENEN

Ein italienisches Märchen erzählt: Ein König hatte einen Sohn, der stets unzufrieden auf dem Balkon saß und sich langweilte. Er wusste selbst nicht, was ihm fehlte. Die Weisen rieten: “Majestät, sucht einen ganz zufriedenen Menschen und vertauscht sein Hemd mit dem Eures Sohnes!” Alle Beamten wurden ausgesandt, einen solchen zu entdecken – vergebens! Da stößt der König bei der Jagd auf einen fröhlich singenden Arbeiter im Weinberg. Er gesteht: “Ich bin restlos zufrieden, möchte weder mit Papst noch König tauschen.” Der König bittet: “Mein Sohn ist sterbenskrank. Er braucht als Medizin das Hemd eines Zufriedenen. Ich werde dir jeden Preis zahlen.” – “Majestät, da kann ich nicht dienen – ich habe kein Hemd.“

Paulus lädt uns ein, den neuen Menschen anzuziehen. Wer als Christ lebt, wer an Gott glaubt, der lebt anders. Kleidung ist in der Bibel immer ein Bild für ein Reden, für ein Denken, für ein Tun und für eine innere Haltung. Dieses alles muss von unserem Glauben bestimmt sein. Wer als Christ lebt, wer die Gebote ernst und wichtig nimmt, der lebt anders, als wenn er Gott oder Jesus Christus nicht kennen würde. Das sagt Paulus zwei Mal in der Lesung. “Lebt nicht mehr wie die Heiden in ihrem nichtigen Denken.” “Ändert euer Leben und erneuert euren Geist und Sinn!” Dann ziehen wir das Hemd des Zufriedenen an. Halt! Der Zufriedene hat ja gar kein Hemd. Und doch hat er ein Hemd, es ist nur ein anderes Hemd als gewöhnlich. Wie aber sieht das Hemd des Zufriedenen aus? Das Hemd des Zufriedenen übertrage ich gerne auf den neuen Menschen, von dem Paulus in seinem Brief an die Epheser spricht.

Es sind wichtige Haltungen, die Paulus in diesem Abschnitt anspricht. Diese Haltungen können wir auch als Markenzeichen betrachten, die das Hemd des Zufriedenen ausmachen.

MARKENZEICHEN WAHRHEIT

Ein erstes Markenzeichen ist die Haltung der Wahrheit. Jesus ist die Wahrheit. Sein Leben führt uns zur Erfüllung unseres Lebens. Seine Worte und seine Taten geben unserem Leben Sinn und Ziel. Jesus ist die Liebe Gottes, die Mensch geworden ist. Diese Liebe zeigte sich vor allem gegenüber den Armen und den Unterdrückten. An Jesu Worte und an Jesu Taten können wir ablesen, wer Gott ist. Auf diese Weise führt Jesus uns zum Vater.

MARKENZEICHEN ZUCHT

Eine andere Haltung ist die Zucht. Wir sollen den alten Menschen ablegen, der in Verblendung und Begierde zugrunde geht. In Jesus werden wir immer wieder auf unser wahres und letztes Ziel hingewiesen. Einmal bei Gott zu sein. Wir leben häufig in der Sorge, ja nichts zu verpassen. Wir wollen das Leben auskosten. Doch sind wir Menschen mehr als das. Sicher: Gott hat diese Welt geschaffen, damit wir auf ihr erfüllt leben. Alle Schätze der Welt, alle Möglichkeiten, die uns die moderne Technik bietet, alle Freuden dürfen wir dankbar annehmen. Doch machen wir das alles nicht zu oft zu unserem Gott. Je mehr wir doch haben, je mehr wir unsere Bedürfnisse erfüllt bekommen, um so mehr vergessen wir Gott, um so mehr vergessen wir, dass wir Empfangende sind.

“Je mehr er hat, je mehr er will.” Unser Denken und Handeln kreist dann immer mehr darum, mehr Besitz anzuhäufen, dieses kurze irdische Leben immer mehr auszukosten. Das erzeugt die Begierden. Oft wird das Leben gestaltet auf Kosten der Mitmenschen. Wie oft sind doch die Menschen, ähnlich wie der Prinz im Märchen, krank, leiden an Depressionen, weil Reichtum nicht ausfüllt. Oft liegt das daran, dass man materiell reich, aber innerlich arm ist.

MARKENZEICHEN GERECHTIGKEIT

Zwei weitere wichtige Markenzeichen des Hemdes, die Paulus darstellt, schaue ich mir an: Gerechtigkeit und Heiligkeit. Wenn ich die Bibel lese, dann merke ich: Gott sucht immer nach Gerechtigkeit im Leben. Die Propheten des Alten Testamentes mahnten immer die Gerechtigkeit an. Jesus nennt die Menschen selig, die nach Gerechtigkeit dürsten. So ist auch die Gerechtigkeit ein wichtiges Anliegen von uns Christen sein. Das betrifft die soziale Gerechtigkeit, die Bereitschaft zu teilen, es betrifft aber auch die Gerechtigkeit im Urteil über andere. Ich darf mein Urteil nicht davon abhängig machen, wie ich jemanden mag. Eine Hilfe kann mir sein, wenn ich immer wieder versuche meinen Bruder oder meine Schwester zu sehen, wie ich glaube: Gott könnte ihn so sehen.

MARKENZEICHEN HEILIGKEIT

Ein weiteres Markenzeichen der Kleidung ist die Heiligkeit. In der Bibel bedeutet “Heilig” auch immer ein gewisses Abgehobensein. In positiver Weise hebt sich der Christ von den Mitmenschen ab. Das tut er nicht mit erhobenem Zeigefinger. Durch sein Leben, dadurch, dass ihm der Glaube wichtig ist, dadurch, dass er die Erfüllung seines Lebens nicht im Reichtum allein sieht, kann er seinen Mitmenschen zur Anfrage werden.

WAS UNS DER GLAUBEN SCHENKT

Es gibt sicher auch die andere Seite. Viele erzählen mir, dass sie wegen ihres Glaubens belächelt werden, oder nicht ernst genommen werden. Doch schauen wir doch immer wieder, was uns der Glaube schenkt. Macht er uns nicht auch davon frei, bereits in diesem Leben alles auszukosten. Macht er uns nicht frei von den Begierden? Schenkt der Glaube uns nicht Sinnerfüllung, Halt und Stärke gerade dann, wenn wir in unserem Leben Krisenzeiten erleben? Doch nicht nur für Krisenzeiten ist der Glaube wichtig. Auch, ja gerade in guten Zeiten sollten wir Christen immer wieder klarmachen, dass Erfüllung, dass Erfolg, und dass gute Erfahrungen immer ein Grund sind, Gott zu loben und zu danken. Wenn es uns gut geht, dann ist das nicht nur immer unser eigenes Verdienst.

Vielleicht hat der Arbeiter diese Haltungen in seinem Leben verwirklicht. Der Prinz jedoch zeigt uns: es kann mir noch so gut gehen, ich kann alles haben, was das Herz begehrt, Nahrung, Kleidung, Wohnung, Ausbildung. . . und dennoch unzufrieden sein.

Dem Prinzen fehlte wie vielen von uns eine Quelle der Zufriedenheit. Diese Quelle heißt Gott. Die Lesung aus dem Buch Exodus und auch das Evangelium sind dafür ein Zeugnis. Schauen wir uns einmal das Volk Israel an. Es war befreit aus der Gefangenschaft Ägyptens. In der Wüste braucht es Nahrung. Es fängt an zu murren. Doch Gott schenkt ihnen das Manna, das Brot vom Himmel. In der Wüste erfährt das Volk Israel, dass es nur aus Gott heraus lebt.

Wie das Volk Israel von den Ägyptern zwar das Essen bekam, dafür aber versklavt und abhängig war, so sind auch oft wir: wir machen uns von so vielem abhängig, was uns versklavt, was uns unfrei macht. Das können Menschen sein, das kann der Beruf sein, das ist häufig der Besitz. Aus diesen beziehen wir unser Lebensrecht, unsere Bestätigung. So wichtig aber das ist, so unvollkommen ist die Liebe und die Zuwendung der Mitmenschen, so unvollkommen ist auch die Bestätigung, die mir durch einen Erfolg im Beruf zuteil werden kann. Das alles kann von heute auf morgen vorbei sein.

EINE SPEISE, DIE NICHT VERDIRBT

Wirkliche Erfüllung bekommen wir bei Gott allein. Seine Liebe ist immer vollkommen. Sie versklavt uns nicht. Die Liebe Gottes können wir uns nicht verdienen. Sie ist immer ein Geschenk. Lassen wir uns doch einladen, Gott immer wieder zur Mitte unseres Lebens zu machen. Wir leben aus ihm und aus seiner Liebe allein. Wir sind mehr als die Befriedigung unserer Bedürfnisse. So wichtig Nahrung, Wohnung auch ist, so wenig sagt das alles über unseren Wert als Mensch aus, so wenig erfüllt sich Menschsein darin. Ich glaube, das meint Jesus, wenn er sagt: “Ich bin das Brot des Lebens!” “Müht euch nicht um die Speise, die verdirbt, sondern um die Speise, die zum ewigen Leben führt.” Ihn zu unserem Brot zu machen, heißt doch: er ist die Mitte und das Wichtigste in unserem Leben. Wenn wir Christus tragen, wenn wir IHN annehmen, dann ziehen wir immer das Hemd des Zufriedenen an.

Ordensgeistlicher Matthias David