Predigtgedanken zum 4. Sonntag im Jahreskreis, 2. Lesung 1Kor12:31 – 13:13
Wir hören heute vom Apostel Paulus den schönsten Text, den er je in seinem Leben geschrieben hat. Seine Worte über die Liebe sind bis auf den heutigen Tag von niemandem übertroffen worden, wie viele es auch unternommen haben, die Liebe zu besingen.
Nur, über die Liebe reden und die Liebe leben, das ist nicht das Gleiche. Hier liegt wohl für uns Menschen das eigentliche Problem. Unter uns gibt es sicher niemanden, der den Worten und Gedanken des Paulus nicht zustimmen würde. Und wir alle wünschen uns sicher sehr: Könnte die Liebe doch nur so vollkommen in mir sein, wie Paulus sie beschreibt. Aus diesem Verlangen heraus, das wir in uns spüren, sollten wir aufbrechen und nach Wegen suchen, wie wir die Liebe in uns mehren und anreichern könnten.
JEDER IST ZUR LIEBE FÄHIG
Ein erster Schritt scheint mir folgender zu sein. Ich glaube, dass vieles an Lieblosigkeit unsererseits nicht aus Bosheit geschieht, sondern aus Gedankenlosigkeit, ein Grundübel, das sich immer wieder an uns heran schleicht. Wir machen uns zu wenig bewusst, zu welchem Ausmaß an Liebe wir fähig sind.
Vielleicht haben wir keine tollen Schulzeugnisse, sprechen wir keine Fremdsprache, sind wir nicht besonders reich, sodass wir haufenweise spenden und schenken könnten – aber wir haben ein Herz,
das Lob und Anerkennung spenden kann,
mit dem wir anderen freundlich begegnen können,
das unsere Augen zu öffnen vermag,
das Wünsche anderer erahnen lässt,
das Leidenden Mitgefühl entgegen zu bringen versteht,
das fähig ist, Wohlwollen und Großzügigkeit zu schenken,
das immer wieder positiv denken kann
und und und. . .
Ja wenn wir uns das nur einmal ganz tief vor Augen führen, welch wunderbare Wesen wir sind, weil wir lieben können – und das endlos – dann dürfen wir richtig Stolz auf uns werden. Gott hat uns so geschaffen, dass wir, indem wir lieben können, etwas ganz Wunderbares vermögen. Und dabei dürfen wir auch noch selbst bestimmen, wie sehr wir lieben wollen. Trotz vielen Verschenkens geht uns die Liebe nie aus. Wir können die ganze Welt mit ihr füllen, ohne dass sie in uns weniger würde. Das muss man sich einmal richtig vorstellen und vor Augen führen. Denn nur dann spüren wir etwas von der grenzenlosen Weite und enormen Tiefe jener Liebe, zu der wir fähig wären. Umfang und Weite der Liebe wahrnehmen, zu der wir fähig sein können, das wäre der erste Schritt.
Nun erleben wir im Alltag oft, dass wir uns die Liebe und von der Liebe geprägtes Verhalten sehr ernstlich vorgenommen haben und dann doch mit beidem auf der Strecke bleiben. In der Regel sind es zwei Gründe, die uns in der Liebe nicht so vollkommen sein lassen, wie wir es gern wären: einmal ist es fehlende Kraft, Erschöpfung, die uns begrenzt, zum anderen sind es die Mitmenschen, die uns ärgern, aufregen, erzürnen, enttäuschen, kränken, auf unsere Liebe nicht antworten. In diesen Situationen spüren wir, wie schwierig es ist, die Liebe, über die wir oft begeistert reden, in die Tat umzusetzen.
Diese Situationen der Pleite mit unserer angestrebten Liebe sind nicht nur negativ zu bewerten; sie haben auch etwas Gutes. Sie zeigen uns durch die eigenen Erfahrungen, wie schnell wir Menschen immer wieder von der Liebe weg zu bringen sind. Je deutlicher wir dies an uns selber wahrnehmen, umso leichter fällt es uns, anderen ihren Mangel an Liebe zu verzeihen. Sie sind wie wir der menschlichen Schwäche ausgeliefert. Niemandem macht es Freude, lieblos oder gar bösartig zu sein. Andernfalls ist er psychisch krank. Je bewusster wir die anderen in ihrem Versagen annehmen, umso leichter wird es uns, uns selbst zu vergeben. Liebe, Güte, Geduld müssen wir auch uns selbst entgegen bringen. Ich rede damit nicht der Nachlässigkeit, Faulheit, Gleichgültigkeit das Wort. Aber wer sich und seinen menschlichen Begrenzungen gegenüber kein Erbarmen, keine Geduld, keine Langmut entgegen bringt, verweigert sie auch den Mitmenschen, fordert zu schnell stur und steif Vollkommenheit von ihnen wie von sich selbst.
MENSCHLICHE BEGRENZUNGEN AKZEPTIEREN
Der zweite Schritt zur Liebe hin wäre das Akzeptieren menschlicher Begrenzung und der Glaube daran, dass niemand sich über seine Lieblosigkeit freut. Im tiefen Innern entwickelt jeder die Sehnsucht, ein liebenswerter Mensch zu werden und zu sein.
Sobald wir diesen zweiten Schritt vollziehen, kommt Ruhe und Gelassenheit in unser Denken und Handeln. Auf diese Weise werden wir fähig, unser Wirken sorgfältiger zu planen.
Dabei könnten uns folgende Fragen begleiten:
Wo kann ich die Liebe leicht verwirklichen?
Wo muss ich mir mehr Mühe geben?
Was bringt mich schnell vom Weg der Liebe ab?
Was muss ich bewusst meiden, um nicht unversehens lieblos zu werden?
FREUDE UND BEGEISTERUNG AM GUTSEIN ENTWICKELN
In allen Fällen ist es hilfreich, sich immer wieder vor Augen zu führen, wo uns die Liebe gelungen ist und welches Glück wir bei anderen dadurch ausgelöst haben. Diese Besinnung ist für mein Empfinden die stärkste Kraft, um neu Anlauf zu nehmen. Die Freude über das Gelungene nimmt viel von der Last, die uns die Mühe um die Liebe auferlegt. Sie senkt vielmehr Begeisterung in unsere Herzen, mobilisiert den Willen, neues Glück zu schaffen und die Mühe dabei nicht zu scheuen. Sie weckt und stärkt in uns die Sehnsucht, den liebenden Menschen aus uns zu machen, der wir sein könnten.
Freude und Begeisterung am Gutsein entwickeln, ist der ganz wichtige dritte Schritt, weil er sich nach und nach in unser Wesen einnistet. Und dann haben wir gewonnen. Lassen wir uns auch nicht verführen, künstlich geschaffene Minderheiten zu diffamieren, welches letztendlich zur Entzweiung der menschlichen Gesellschaft führt.
Viele falsche Propheten suhlen sich in ihrer Macht und versuchen Angst und Schrecken zu verbreiten. Es werden immer wieder aus unserer menschlichen Schwäche heraus Einbrüche kommen, aber aus ihnen werden wir uns leicht und schnell befreien, wenn wir uns im Wesen auf die Freude am Guten eingestellt haben.
Paulus preist und besingt die Liebe. Und er tut Recht daran. Denn es gibt von Gott keine höhere Gnadengabe an uns als unser Herz, das lieben kann. Die Liebe gibt Auskunft über die wahre Größe eines Menschen. Wer die Liebe nicht lebt, obwohl er es könnte, ist töricht und dumm, selbst wenn er große Erkenntnis besäße; er ist arm an Freude und Glück; er lebt an sich selbst vorbei, weil er das Größte und Schönste in sich nicht zur Geltung bringt.
Der Apostel Paulus will uns nicht zu Nahe treten, damit wir uns nicht beleidigt abwenden. Aber zwischen den Zeilen lädt er uns ein, in Überzeugung ihm nachzusprechen: Tatsächlich, ohne die Liebe wäre ich ein Nichts.
Ordenskaplan Matthias David