HOCHZEIT – HEILSZEIT

Predigtgedanken zum 2. Sonntag im Jahreskreis Joh 2:1-11

Auf der Hochzeit zu Kana geschah Ungewöhnliches. Von außen kaum wahrnehmbar, für jene aber, die es wahrgenommen haben, war es ein Zeichen für das anbrechende Reich Gottes.

ZU VORGERÜCKTER STUNDE

Diese Weinprobe vergisst der Caterer sein Leben lang nicht! So eine Hochzeit hat er auch noch nie erlebt. Der Wein ist so gut – einfach nur herrlich! So einen Wein hat die Welt noch nicht gesehen, auch nicht getrunken! Er ist in höchsten Tönen zu loben!

Diese Weinprobe vergisst der Caterer sein Leben lang nicht, dabei weiß er nicht einmal, dass in diesen sechs großen steinernen Krügen nur Wasser war. Wasser! Wasser für die Füße! Für ihn, der schon viele Feste organisiert hat, sieht alles wie ein Irrtum aus. Oder wie ein grandioser Schachzug. Wird nicht der gute Wein zuerst ausgeschenkt, um dann, zu vorgerückter Stunde, den billigen aufzutischen? Mischkalkulation nennt man das wohl. Bloß nicht zu viel des Guten! Werden die Gäste denn überhaupt – noch – merken, welchen guten Tropfen sie zu trinken bekommen? Hinter vorgehaltener Hand höre ich’ s: Perlen vor die Säue!

Die Geschichte ist schnell erzählt. Von der Hochzeit, von dem Caterer, von dem erlesenen Wein. Wie ein Märchen aus Tausendundeiner Nacht! Schade, dass ich nicht dabei war. Nur: was hätte ich gesehen? Geahnt? Gewusst? Krüge hätte ich gesehen, 6 große Tonkrüge. Was drinnen war, was drinnen ist – es hätte mich nicht einmal interessiert. Doch: Ein gutes Gläschen hätte ich auch getrunken. Oder zwei. Wie schon viele in meinem Leben. Morgen geht das Leben weiter. Hauptsache: Kein Kater.

ZEICHEN EINER NEUEN WELT

Aber heute wird erst einmal gefeiert. Wir sind in die Geschichte geraten – und sie lässt uns nicht mehr los. Wir finden uns unter den Hochzeitsgästen wieder. Herzlich willkommen – Hochzeitsgäste!
Ihr braucht auch gar nicht groß zu schauen. Euer Outfit stimmt. Und dass ihr keine Geschenke mithabt – macht euch keine Gedanken. Ihr werdet beschenkt. Es gilt das gesprochene Wort!

Jesus wirkt sein erstes Zeichen. Oder setzt es. Es ist gar nicht so einfach, die passenden Worte zu finden. Ein großartiger Auftakt, sozusagen. Ein Einstieg in einen Reigen von vielen anderen Zeichen, die alle nur erzählen, dass Jesus – herrlich ist. Großartig. Überwältigend. Wir müssen dabei sein! Um glauben zu können! An Jesus. Johannes verrät dann auch am Schluss, dass es auf den Glauben ankommt – und alles, was Jesus tut, zum Glauben lockt. Seine Herrlichkeit ist ein Zeichen – für uns. Seine Jünger sind die ersten Zeugen. Augenzeugen. Glaubenszeugen. Dabei zu sein, ist alles!

Ich wollte Johannes immer schon einmal fragen, warum er das Wort „Zeichen“ wählt – und nicht einfach von „Wunder“ erzählt – oder vom „sich wundern“. Ist das Zeichen denn kein Wunder? Ich liebe Wunder! Alle (Natur)Gesetze sind außer Kraft gesetzt, das Unmögliche geschieht, nichts ist mehr begrenzt. Und ich mit meinen Allmachtsphantasien stehe über allem und über allen. Kein Wunder, dass Johannes keine Lust hat, mir eine falsche Spur zu legen – und sich dann mit mir herumzuschlagen. Oder zu ärgern. Nein, ein Zeichen steht immer für etwas anderes, verweist auf etwas anderes, führt zu etwas anderem. In der Geschichte, die sich in Kana abspielt, wird uns Jesus vorgestellt – und wir werden zu ihm geführt. Wer jetzt nur den tollen Wein sieht, sieht nichts. Aber der Wein steht für die Fülle des Lebens. Eine neue Zeit bricht an. In Kana, einem Nest, bricht Gottes Reich an. Davon weiß der Caterer nichts – ich ahne aber, dass ich den Fremden und Unschuldigen wohl nicht spielen kann!

WASSER UND WEIN

Richtig spannend ist die Perspektive. Stelle ich mir vor, Gast zu sein, bekomme ich eigentlich nichts mit – außer dass auch Jesus nur Gast ist. Fällt er mir überhaupt auf? Maria redet mit ihm, aber was sie sagt, geht auch unter. Vielleicht reicht es noch zu den Wortfetzen: Meine Stunde ist noch nicht gekommen. Aber dann bin ich mit meinen Gedanken schon wieder wo anders. Hochzeit, das bedeutet Stimmengewirr, Gerede, Lachen – alles durcheinander. Und ich habe nur zwei Ohren und einen Mund.
Erst wenn die Geschichte erzählt wird, danach, fange ich zu verstehen an. Ich höre, was ich nicht sehen konnte. Was ich nicht wusste. Selbst der Geschmack im Mund verändert sich jetzt. Wasser in Wein verwandelt?
Gewiss, Wasser in Wein verwandelt. Dann kommt das Staunen – und der Zweifel stellt sich auch ein. Waren wir auf derselben Hochzeit?

Schon merkwürdig: Alle Hochzeitsgäste erzählen Geschichten – und es gibt so viel zu erzählen. Aber wo ist die Braut? Sie kommt in der ganzen Geschichte, heute, nicht einmal vor. Dass Jesus Gast war, dass Maria Gast war – schön und gut, aber wo ist die Braut?

HOHE ZEIT

Ein Geheimnis faltet sich jetzt vor unseren Ohren aus. Seit den Tagen der Propheten ist die Hochzeit Bild für die Heilszeit. Gott selbst kommt und verbindet sich mit Menschen. Mit seinem Volk. Mit uns. Haben Sie noch im Ohr? Der Prophet Jesaja formuliert das in einer für die Menschen in Israel damals bedrückenden Situation so:

Nicht länger nennt man dich »Die Verlassene« und dein Land nicht mehr »Das Ödland«, sondern man nennt dich »Meine Wonne« und dein Land »Die Vermählte«. Denn der Herr hat an dir seine Freude, und dein Land wird mit ihm vermählt. Wie der junge Mann sich mit der Jungfrau vermählt, so vermählt sich mit dir dein Erbauer. Wie der Bräutigam sich freut über die Braut, so freut sich dein Gott über dich.“ (Jes. 62,4f.).

In Kana wird eine Hochzeit gefeiert. Wir sehen die Braut nicht, den Bräutigam auch nicht. Aber wir sehen – Gott kommen. Wir sehen seine Herrlichkeit, wir sehen seine Liebe. Dann muss auch das Wasser daran glauben – und Wein werden. In vielen Liedern wird dann tatsächlich auch die Verbindung Jesu mit uns in den Bildern einer Hochzeit besungen.

Philipp Nicolai, 1597:
Wie schön leuchtet der Morgenstern
voll Gnad und Wahrheit von dem Herrn,
die süße Wurzel Jesse.
Du Sohn Davids aus Jakobs Stamm,
mein König und mein Bräutigam,
hast mir mein Herz besessen;
lieblich,
freundlich,
schön und herrlich,
groß und ehrlich,
reich an Gaben,
hoch und sehr prächtig erhaben
.

Lesen wir in den schlauen Büchern nach, finden wir das Wortungetüm „mystisches Brautlied“. Aber mutig ist das schon – die Liebe Gottes mit hochzeitlichen Bildern und Gefühlen zu beschreiben. Mehr noch: In die Rolle der Braut zu schlüpfen. Jetzt ist sie da! Bin ich – Braut? Ist es die Kirche? Der Nachbar, die Nachbarin? Die Fremde, der Fremde? Geschichten, die offen bleiben, sorgen für immer neue Überraschungen.

Übrigens: Es geht nicht nur um Wasser. Verwandelt werden: Trauer in Freude, Verzagtheit in Mut, Hilflosigkeit in Trotz, Angst in Vertrauen – und Tod in Leben.
Wenn wir Brot und Wein auf den Altar stellen, feiern wir das. Wir bitten – mit den ältesten Worten der Liturgie: Maranatha! Komm, unser Herr.

Ordenskaplan Matthias David