SICH EINFACH SENDEN LASSEN

(Predigtgedanken zum 15. So. i. Jkr. / 7. So. n. Trinitatis: Mk 6:7-19, Am 7:12-15, Eph 1:3-14)

JÜNGER UNTERWEGS

So einfach ist das! 12 Jünger – geteilt durch 2 – macht 6 kleine Gruppen. Oder Grüppchen. So ziehen sie von Dorf zu Dorf, von Siedlung zu Siedlung. Jesus gibt ihnen seine Vollmacht, die bösen Geister auszutreiben. Von denen treiben viele ihr Unwesen: Sie setzen Vorurteile in die Welt, säen Misstrauen und spielen mit Hass. Sie lassen Gedanken sich im Kreise drehen, verbauen Verständigungen und treiben Menschen in die Angst. Sie teilen die Welt in “arm” und “reich”, rechtfertigen Gewalt und kehren Unrecht unter den Teppich.


Womit ich das Leistungsspektrum der bösen Geister nicht einmal annähernd beschrieben habe. Sie überdauern Sommer und Winter. Bis heute sind sie nicht tot zu kriegen.
Ich wünsche mir, dass Menschen kommen, die die bösen Geister bei Namen nennen, ihnen die Masken vom Gesicht reißen und sie dann verbannen. “In jener Zeit rief Jesus die Zwölf zu sich und sandte sie aus… !”

SCHWERELOS

Im Evangelium hört sich das alles auch ganz einfach an. Die Jünger dürfen einen Wanderstab mitnehmen und Sandalen tragen – aber ansonsten sollen sie nichts mitnehmen. Keinen Proviant, kein Geld, nicht einmal ein zweites Hemd. Sie scheinen das alles auch nicht zu brauchen. Es ist, als ob sie einfach losziehen sollen – ohne sich groß vorzubereiten, Pläne zu machen, sich noch ein letztes Mal abzustimmen. Ich spüre die Schwerelosigkeit – sie ist mir aber unheimlich. Kein Hemd zum Wechseln? Nichts im Portemonnaie?

Auch wenn wir Jesus jetzt nicht fragen können, den Evangelisten auch nicht, werden wir eine spannende Entdeckung machen: Jesus gibt seinen Jüngern eine Vollmacht – und dann schickt er sie los. Schwerelos. Auf das Wichtigste konzentriert, ohne Ballast. Auch ohne große Vorbereitung. Wir spüren sogar das große Vertrauen: Die anderen Menschen werden die guten Geister mittragen, ihnen Wege öffnen und das Brot mit ihnen teilen. Das Evangelium stiftet eine Gemeinschaft.

Die Fachgelehrten, die die alten Texte untersuchen, haben dafür ein treffendes Wort gefunden: “Wanderradikalismus”. Gemeint ist, dass das Evangelium von Wanderern gebracht wird, die sich auf eine radikal einfache Lebensform eingelassen haben. Sie haben keinen Status, sie brauchen keinen Status – sie sind einfach da, wo sie gerade ankommen und unterkommen. Nur: wo sie auftauchen, begegnet Menschen eine andere Welt. Die bösen Geister, hofiert und geschmückt, gefürchtet und in Kauf genommen, werden zum Teufel gejagt. Um es in einem Bild zu sagen: Die Luft ist frei. Die Luft ist rein.

Wanderradikalismus. In unserer Alltagssprache gibt es dieses Wort nicht. Es ist eine nachträgliche Beschreibung für ein Phänomen, dass wir nicht mehr kennen. Wir wissen nicht einmal, ob es in der Frühzeit der Kirche so gelingen konnte. Aber wir spüren allenthalben die Sehnsucht, dass Menschen einfach da sind, ein lösendes Wort finden, ein undurchdringliches Knäuel entwirren. So modern hätte ich mir diese – unmögliche – Geschichte, die das Evangelium erzählt, nicht vorgestellt.

Das Evangelium stellt uns heute die Frage, wie schwer wir uns damit tun, auf Menschen zuzugehen und ihnen – so will ich das einmal übersetzen – den guten Geist zu bringen, mit ihnen das Leben zu teilen und sie dann auch wieder in Frieden zu lassen. Das Evangelium überliefert ein sehr schönes Bild: wir können auch wieder weitergehen – und den Staub von unseren Füssen schütteln. Wer ohne Brot, Geld und Hemd aufgebrochen ist – soll sich nicht abhängig machen, sich auch nicht irgendwo festsetzen, sich schon gar nicht auf seinen Lorbeeren ausruhen oder aushalten lassen. Jesus setzt uns in Bewegung. Schwerelos – fast schwerelos.

TROLL DICH, AMOS

Haben Sie eigentlich noch die Geschichte im Ohr, die Sie vorhin hörten? Die Geschichte von Amazja und Amos. Der eine ist Oberpriester – der andere Kleinbauer. Der eine ist Fachmann für den korrekten Kult – der andere verdient seinen kargen Unterhalt mit Viehzucht und Maulbeerfeigen. Der eine ist hier an einem heiligen Ort fest angestellt – der andere kommt aus dem Nachbarland, ein Fremder. Unterschiedlicher könnten diese beiden Typen nicht sein.

Troll dich, Amos! Ich sehe den Oberpriester Amazja sich vor Amos aufbauen, würdevoll, erhaben. Troll dich, Amos!

Was Amos gemacht hat? Er hat sich vor den Tempel gestellt und die soziale Ungerechtigkeit bei Namen genannt. Er hat die Willkür der Mächtigen – des Königs – bei Namen genannt. Und er hat Gottes Willen bei Namen genannt. Was dem Fass aber den Boden ausschlug: er hat Gottes Gericht angesagt. Er, der Kleinbauer.
Amazja versteht nicht. Amazja will nicht verstehen. Hauptsache ist doch, dass schöne Gottesdienste gefeiert werden. Hauptsache ist doch, dass im Tempel geopfert, im Tempel gefeiert – und für den König gebetet – wird.

Hören wir Amos:
Ich kann – Spruch des Herren – das Geplärr eurer Lieder nicht mehr hören,
euer Weihrauch ekelt mich an.
Was ich will, ist: Gerechtigkeit und Recht.
Und dass die Schwachen bei euch geschützt werden.

Und so weiter. Die fromme Festtagsstimmung ist dahin. Die, die Welt unter sich verteilt haben, reagieren erbost. Wo kommt der dann her? Amazja macht jetzt von seinem Hausrecht Gebrauch. “Troll dich, Amos!” Aber die Worte sind gesagt. Sie lassen sich nicht mehr zurückholen. Noch heute lassen sie sich zitieren. Worte eines – Kleinbauern.

Amos antwortete Amazja: Ich bin kein Prophet und kein Prophetenschüler, sondern ich bin ein Viehzüchter, und ich ziehe Maulbeerfeigen. Aber der Herr hat mich von meiner Herde weggeholt und zu mir gesagt: Geh und rede als Prophet zu meinem Volk Israel!

SICH AUF DEN WEG MACHEN

Was für ein Glücksfall, dass wir heute diese beiden Geschichten lesen: die Geschichte von Amos und Amazja – und die Geschichte von den Jüngern, die sich einfach senden lassen. Wir bekommen die Auseinandersetzung, den Streit mit, der entfacht wird, wenn böse Geister sich wehren. Sogar mit ihrem Amt und ihrer Würde. Mit geschriebenen Ordnungen und ungeschriebenen Bräuchen. Böse Geister können aus den feinsten Häusern kommen…

Das letzte Wort hat das Evangelium:
Die Zwölf machten sich auf den Weg und riefen die Menschen zur Umkehr auf.
Sie trieben viele Dämonen aus und salbten viele Kranke mit Öl und heilten sie.

So einfach ist das.
Allein werde ich nicht sein.

Seneschall Matthias David