WEIHNACHTEN EINANDER SPÜREN LASSEN

Predigtgedanken zum 2. Sonntag nach Weihnachten (Joh 1,1 – 18)

Weihnachten ist ein Fest der Nähe Gottes. Wie können wir einander diese Nähe spüren lassen, wenn wir einander nicht nahekommen dürfen? Die Coronabeschränkungen haben viele neue Wege und Ausdrucksformen finden lassen. Auch im Bereich des Glaubens gilt es Neues zu probieren, um unsere Freude über das Nahesein Gottes zu zeigen und einander spüren zu lassen.

WEIHNACHTEN AUF ABSTAND

Wir feiern in diesem Jahr Weihnachten, wie wir es noch nie gefeiert haben. Zum „Schutz“ vor einer Ansteckung mit dem Coronavirus müssen wir eine Reihe von Regeln einhalten, die unsere Feierstimmung beeinträchtigen. Die Gesichtsmasken passten eher in den Fasching, es fehlt nur noch die bunte Bemalung oder grüne Hüte. Wir sind angehalten, zu allen Personen, mit denen wir nicht im selben Haushalt leben, vier Katzen und fünf Hunde weit Distanz zu wahren. Kein Händeschütteln, kein Umarmen, keine körperliche Nähe, kein gemeinsames Singen, auch auf den Chor müssen wir verzichten. Die Stigmatisierung von Ungeimpften zur Verdeckung von falschen Zahlen passt eher in die Zeit der Inquisition oder der Hexenverfolgung als in ein aufgeklärtes Zeitalter.

Warum ist uns körperliche Nähe so wichtig? Weil wir aus Fleisch und Blut sind! Menschen aus Fleisch und Blut wollen jene, die sie liebhaben, umarmen, manche auch liebkosen, ihre körperliche Nähe spüren. Dies tut uns gut und ist wichtig für unser emotionales Wohlbefinden.

LIEBE SPÜREN KÖNNEN

Im Weihnachtsevangelium des Evangelisten Johannes haben wir den großartigen Hymnus von der Fleischwerdung Gottes gehört. Niemand weiß, wie Gott ist. Es fehlen uns die Worte ihn treffend zu beschreiben. Wir können nur erahnen, dass er der Inbegriff der Weisheit und der Liebe sein muss, aus dem die ganze Schöpfung hervorgegangen ist. Johannes fasst das Wesen Gottes mit dem griechischen Wort Logos zusammen. In unserer Sprache brauchen wir mehrere Wörter, um dieses Wort ausreichend zu übersetzen: Logos bedeutet Weisheit, Wort, Geist, Sinn und beinhaltet alle positiven geistigen Kräfte. In Jesus von Nazareth, so die Botschaft des Evangelisten, hat diese geballte Kraft Gottes menschliche Gestalt angenommen: “Und das Wort, der Logos, ist Fleisch geworden” lautet seine Zusammenfassung des Weihnachtsgeheimnisses.

Am Menschen Jesus von Nazareth sehen wir, wie Gott ist, wie wir uns Gott vorstellen können. In ihm ist Gott den Menschen nahegekommen, ist Gott sichtbar, berührbar und angreifbar geworden. Jesus hat sich berühren und umarmen lassen. Er hat Menschen berührt und umarmt. Diese Erfahrung haben Menschen, die mit Jesus in Berührung gekommen sind, als ein von Gott Berührtwerden erlebt. Diese Erfahrung hat sie geheilt, versöhnt, wieder ganz werden lassen, sie zu Menschen werden lassen, ihnen die verlorene Menschenwürde zurückgegeben.

LIEBE SPÜREN LASSEN

Es fällt uns schwer, an diesem Weihnachtsfest auf viele Ausdrucksformen der Nähe und des Wohlwollens zu verzichten. Wenn wir vorübergehend unser diesbezügliches Repertoire einschränken müssen, ist es umso wichtiger, einander unser gegenseitiges Wohlwollen auf andere Weisen zu zeigen und spüren zu lassen: wenn wir z.B. Kindern zulächeln und ihnen signalisieren, dass sie in dieser Welt willkommen sind; wenn wir uns von der Not von Menschen, die es aus irgendeinem Grund schwer haben, berühren lassen; wenn wir alten Menschen Zeit und Aufmerksamkeit schenken…
Dieses Wohlwollen gilt es auch in unserem politischen Engagement für eine gerechtere Welt zu zeigen, für gesunde Lebensbedingungen aller Menschen, auch wenn dieses Umdenken uns Einschränkungen und Verzicht abverlangt.

Das Krisenjahr 2021 hat uns viel Verzicht abverlangt und uns viele Einschränkungen auferlegt. Vieles ist und war zum Jammern. Manches Mal hatte ich den Eindruck, dass in den Medien verschiedene Interessensgruppen um die Wette gejammert haben. Es wurde aber nicht nur gejammert. Es ist auch viel Neues entstanden. Es wurden viele positive Kräfte geweckt: Solidaritätsbekundungen, friedliche Spaziergänge, Zuversicht im Sinne “gemeinsam schaffen wir das!”, aber auch Humor. Noch nie hat in den sozialen Medien der Witz und Schmäh so geblüht wie in den vergangenen Monaten.

UNSERE WEIHNACHTSMISSION

Auch als Gläubige konnten und können wir viele gewohnte Ausdrucksformen unseres Glaubens nicht vollziehen. Die Not hat aber im religiösen Bereich viele Menschen neue Wege finden lassen, wie wir das Geheimnis des Glaubens, wie wir die Liebe und das Wohlwollen Gottes in unserer Welt aufs Neue sichtbar und spürbar machen können.

Ein jeder von uns ist gefordert, die Frohe Weihnachtsbotschaft von der Nähe und dem Wohlwollen Gottes in seine Welt hineinzutragen. Wünschen wir einander nicht nur mit Worten sondern auch mit Blicken und anderen Zeichen des Wohlwollens ein frohes und gesegnetes Weihnachtsfest. Wenn wir so unsere Zuversicht miteinander teilen, schenken wir Weihnachtsfreude und können wir so ein wenig vom Geheimnis der fleischgewordenen Liebe Gottes einander spüren lassen.

Ordenskaplan Matthias David